Dabei sass sie nicht am Steuer
Deutsche sollte wegen 8 km/h zu viel in Schweizer Knast

Wegen einer Tempoüberschreitung von 8 km/h landete eine Deutsche um ein Haar in einem Schweizer Gefängnis. Die Frau bezahlte eine Busse von 60 Franken nicht, weil das Blitzerfoto fehlte.
Publiziert: 18.03.2024 um 15:25 Uhr
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Ein deutsches Ehepaar erhielt im Mai 2022 eine Busse von 60 Franken. Dem Schreiben war jedoch kein Blitzerfoto beigelegt. (Symbolbild)
Foto: Keystone

Es hätte ein schöner Ausflug in die Schweiz werden sollen. Das Ehepaar Jürgen und Hannelore W.* aus Deutschland unternahm 2022 eine Ausfahrt in den Kanton Graubünden. Die zunächst gemütliche Reise endete jedoch in einem nervenaufreibenden Rechtsstreit. 

Rückblende: Im Mai 2022 wurden die Senioren in der Nähe von Chur geblitzt, wie die «Schwäbische» berichtet. Statt der erlaubten 80 km/h donnerten sie mit 93 km/h über die Strasse. Nach Abzug der Toleranzmarge war das Auto immer noch 8 km/h zu schnell unterwegs. Die Strafe: eine Busse von 60 Franken.

Strafverfahren und Gerichtsverhandlung

Die Rentner weigerten sich, die Busse, die an Frau Weber gerichtet war, zu begleichen. Denn: Dem Schreiben der Schweizer Behörden war kein Blitzerfoto angehängt. Für das Ehepaar war somit nicht ersichtlich, wer tatsächlich am Steuer sass. Laut den Senioren hätte es schliesslich auch ein befreundetes Ehepaar gewesen sein können.

Also zahlten die Deutsche nicht. Und die ersten Mahnungen flatterten ins Haus. Die Bündner Staatsanwaltschaft schaltete sich ein und eröffnete ein Strafverfahren. Die Folge: ein Prozess vor dem Regionalgericht. Jürgen W. erhob im Namen seiner Frau Einspruch, wie die «Schwäbische» weiter berichtet.

Blitzerfoto nicht eindeutig

Es dauerte ein Jahr, bis das Paar das Blitzerfoto bekam. Für das Ehepaar W. war die Sache damit aber immer noch nicht erledigt. Im Gegenteil: Sie sahen auf dem Bild eine Person mit einem Bart und keine Frau. Auf Nachfrage der «Schwäbischen» sagte Jürgen W., dass es gut hätte sein können, dass er selber am Steuer sass. Das Regionalgericht sah die Sache aber anders – und zwar eindeutig. Auf dem Bild sei klar Hannelore W. zu erkennen und sie wurde daher schuldig gesprochen. Das Gericht legte ihr die Gerichtskosten von 3000 Franken, die Busse plus Mahnunggebühren im Wert von 720 Franken zur Last. W. hätte wahlweise auch einen Tag in Haft absitzen können, anstatt die Mahnungskosten zu begleichen.

Nervlich nahm die Rentnerin das Verfahren enorm mit. «Zwischendurch hatte ich wirklich Angst», sagte die Frau zur «Schwäbischen». Regelmässig musste sie eine Beruhigungstablette schlucken, als ein Einschreiben aus der Schweiz kam. Ein paar Mal habe sie ihrem empörten Ehemann vorgeschlagen, die Busse doch einfach zu bezahlen. 

Doch dadurch wurde der Kampfgeist des Seniors geweckt. «Warum schauen die sich nicht die Fotos an?», fragte er sich. Die Eheleute zogen das Urteil weiter bis vor das Bündner Kantonsgericht. Mit Erfolg. Hannelore W. wurde im Dezember 2023 freigesprochen. Es sei nicht klar bewiesen, dass die Deutsche am Steuer sass, als der Wagen geblitzt wurde. Eine riesige Erleichterung für das Ehepaar. Der Kanton Graubünden muss nun die Gesamtkosten von 6000 Franken zahlen. 

Wer wirklich am Steuer gesessen hatte, wurde nie aufgelöst. Das Ehepaar schweigt dazu und wundert sich über den ganzen Wirbel. Jürgen W.: «So viel Geld – und das alles wegen acht Stundenkilometern zu schnell gefahren.» (ene)

* Namen geändert 

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