BLICK: In dem Buch «Mon Père, je vous pardonne» (deutsch: «Hochwürden, ich vergebe Ihnen») werden pädokriminellen Übergriffe in der katholischen Kirche detailliert und deftig beschrieben (BLICK berichtete). Sind Sie schockiert?
Charles Morerod: Die Ausdrücke sind so deftig wie die Tatsachen. Daniel Pittets Buch, zu dem ich etwas Weniges beigetragen habe, erzählt die Geschichte so, wie sie sich zugetragen hat. Die in den Vordergrund gerückten Fakten lassen das Ausmass der zerstörerischen Auswirkungen ermessen, die solches Tun auf ein ganzes Leben haben kann. Dieser Erlebnisbericht ist läuternd, verblüffend und mutig. Denn Reden ist für Opfer immer schwer. Ich kenne Daniel seit den Neunzigerjahren. Ein phänomenaler Mensch. Tief gläubig. Er ist «vom heiligen Feuer beseelt» und fühlt sich wie von Gott beschützt. Trotzdem bete ich, damit er, seine Frau und ihre Kinder nicht unter der Publikation des Buchs leiden. Reden befreit, kann aber auch Wunden aufreissen.
Papst Franziskus hat das Vorwort geschrieben. Warum tat er das?
Um eine heilige Botschaft ersten Ranges zu verbreiten! Der Papst setzt damit innerhalb der Kirche ein Zeichen. Genau dort, wo diese Geschichten zu lange verschwiegen wurden. Die Verbrechen, aber auch das Gesetz des Schweigens, mit dem sie zu oft umgeben waren, werden streng bestraft.
Wie gehen Sie in Ihrer Diözese mit dem Thema Pädophilie um?
Für mich sind diese Affären ein Kreuz und ein Spuk, die uns verfolgen. In unserer Diözese stehen etwa 400 Priester im Dienst. Seit meiner Amtsübernahme 2011 haben mich rund dreissig Opfer aufgesucht. Drei Fälle verdächtiger Priester wurden den Justizbehörden gemeldet. Diese Fälle sind weder für die Experten noch für die Behörden immer ganz klar, denn die Grenze zwischen pädophilem Tatbestand und zweideutiger Haltung ist nicht eindeutig. Es ist schwierig, sich korrekt zu verhalten, denn blosse Verdächtigungen genügen nicht. Liegen nach unserem Eindruck ernsthafte Gründe für Zweifel vor, nehmen wir Kontakt mit den Justizbehörden auf.
Pittet stiess im Umfeld des Papstes auf grossen Widerstand. Gilt noch immer das Gesetz des Schweigens?
Sind die Hürden, auf die er im Vatikan stiess, dem Inhalt seines Buchs geschuldet? Oder ist es einfach grundsätzlich schwer, an den Papst heranzukommen? Ich weiss es nicht. Auf jeden Fall hat in dieser Frage ein enormer Sinneswandel stattgefunden. Die katholische Kirche in der Schweiz ist sich des verheerenden Charakters der Pädophilie seit Jahren bewusst geworden. Strafpredigten ändern nichts, und die Versetzung erlaubt einem fehlbaren Priester bloss, anderswo weiterzufahren.
Pittets Peiniger lebt heute in einem Deutschschweizer Kloster, wo er sich frei bewegen kann …
Dass er den Ort unbegleitet verlassen darf, kann durchaus Anlass zu Sorge sein. Ich war darüber doch sehr erstaunt, als ich ihn dort getroffen habe. Er wurde allerdings bis heute zu keiner unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Solange er in dieser Gemeinschaft lebt, kann man ihn im Auge behalten. Dies ist in jedem Fall besser, als ihn sich selbst und seinen Neigungen zu überlassen.
Was halten Sie von seinen Entschuldigungen an die Adresse der Opfer?
Sie sind wahrscheinlich aufrichtig, scheinen mir aber leider oberflächlich. Was einer sagt, der sich ein Leben lang vor den andern versteckt hat, ist schwer zu deuten. Immerhin wird das Erscheinen des Buchs ein Riesenschock für ihn sein. Ich verstehe, dass er Angst davor hat.
Was antworten Sie jenen, die Pädophilie mit dem Zölibat in Verbindung bringen?
Es gibt keinen zwingenden Zusammenhang zwischen Pädophilie und Zölibat. Heiratet jemand mit pädophilen Neigungen, wird er sich an seinen Kindern vergehen. Leider hat sich dies in vielen Fällen so gezeigt. Acht von zehn Missbrauchsfällen sollen innerhalb der Familien geschehen.
Spiele live mit und gewinne bis zu 1'000 Franken! Jeden Dienstag, Mittwoch und Donnerstag ab 19:30 Uhr – einfach mitmachen und absahnen.
So gehts:
- App holen: App-Store oder im Google Play Store
-
Push aktivieren – keine Show verpassen
-
Jetzt downloaden und loslegen!
-
Live mitquizzen und gewinnen
Spiele live mit und gewinne bis zu 1'000 Franken! Jeden Dienstag, Mittwoch und Donnerstag ab 19:30 Uhr – einfach mitmachen und absahnen.
So gehts:
- App holen: App-Store oder im Google Play Store
-
Push aktivieren – keine Show verpassen
-
Jetzt downloaden und loslegen!
-
Live mitquizzen und gewinnen