Dieser Angriff auf den Beobachter sucht in der Schweizer Medienlandschaft seinesgleichen: Anfang August 2021 schaltete Bernard Duzhmani, Inhaber des Krankenkassenvermittlers Swiss Home Finance AG, ganzseitige Inserate in der «NZZ am Sonntag» und in «20 Minuten». Darin beschuldigte er den Beobachter, mit einem kritischen Artikel zu seiner Firma fremdenfeindliche Reflexe zu bedienen – und einen Teil seines Geschäftserfolgs zunichtezumachen.
Die Kampagne wurde orchestriert von der PR-Agentur Rod und sekundiert nicht nur vom Branchenmagazin «Persönlich», das Rod-Gründungspartner David Schärer viel Raum bot («Unser Klient wurde Opfer einer Intrige»). Sondern auch von «NZZ», «20 Minuten», «Nebelspalter» und «Sonntags-Zeitung».
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Sie alle nahmen Duzhmanis Opfergeschichte gross und wenig reflektiert auf. Danach reichte Duzhmanis Anwältin Rena Zulauf eine Zivilklage gegen den Beobachter ein – aggressiv und mit grossem Aufwand. Öffentlich munkelte die Medienrechtlerin von Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe.
Video zeigt Fake-Unterschrift
Im Beobachter-Artikel «Mit Fake-Unterschrift zum Kassenwechsel» von Otto Hostettler waren mehrere ehemalige Mitarbeitende zu Wort gekommen. Nach ihren Aussagen hätten Angestellte im Zürcher Büro kurzerhand auch mal selbst unterschrieben, wenn die Originalunterschrift fehlte. Und ein dem Beobachter zugespieltes Video aus den Büros der Swiss Home Finance zeigte, wie Mitarbeitende ein Dokument mit der Unterschrift des Kunden an die Scheibe klebten, das nicht unterzeichnete Dokument darüberlegten und die Signatur nachzeichneten.
«Das kommt immer wieder vor, sicher aber mehrmals pro Woche. Ich konnte es zuerst gar nicht glauben», liess sich ein Ex-Mitarbeiter im Artikel zitieren. Der Beobachter beschrieb auch, dass Firmeninhaber Duzhmani und sein Büroleiter die Mitarbeitenden antrieben, möglichst viele Verträge abzuschliessen. «Pure Sklaventreiberei», sagte dazu ein Ex-Mitarbeiter.
Duzhmani konnte im Artikel zu den Vorwürfen ausführlich Stellung nehmen. Er betonte, dass er keine Unterschriftenfälschungen toleriere, dass er den Vorwurf in aller Deutlichkeit zurückweise, seine Firma mit unlauteren, gar strafrechtlichen Methoden zu führen, und dass seine Firma alle gesetzlichen und selbstregulatorischen Bestimmungen einhalte. «Ich gehe von einer Intrige eines Konkurrenten aus», liess er sich zitieren.
Ganzseitige Inserate geschaltet
Aber Duzhmani genügten diese Stellungnahmen im Artikel nicht. Nach dessen Erscheinen schaltete er die besagten ganzseitigen Inserate in «NZZ am Sonntag» und «20 Minuten». Doch auch darin erwähnte Duzhmani nicht, was genau im Beobachter-Artikel nicht stimmen sollte.
Er beschrieb stattdessen seinen Aufstieg vom Secondo zum erfolgreichen Unternehmer («Ich lieh mir Geld für einen Anzug und startete als Versicherungsberater»). Und kritisierte, der Beobachter mache nun alles zunichte, weil er ihm strafrechtliches Verhalten vorwerfe. Dabei gebe es gegen seine Firma und ihn «keinen Verdacht, keine Ermittlungen und keinen Prozess. Kein Gerichtsurteil.»
Inzwischen gibts ein Urteil. Sogar zwei – eines vom Zürcher Handelsgericht vom Mai 2024. Und jetzt auch noch eines vom Bundesgericht (Juli 2025), das das Handelsgerichtsurteil bestätigt. Nach Auffassung der Justiz sei es dem Beobachter bereits mit dem Video gelungen, «den Hauptbeweis dafür zu erbringen, dass im Büro der Klägerin Unterschriften von Kunden und Kundinnen nachgezeichnet werden». Die Aussagen der ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und interne Dokumente bestätigen dies ebenfalls – und seien keine Intrige.
Hausbesuch beim Kunden
Auch Schilderungen von Kunden stützten den Beobachter-Artikel, hält das Handelsgericht fest: Ein Kunde kritisierte auf Facebook, ihm sei von Swiss Home Finance eine Zusatzversicherung untergejubelt worden. Versicherungsunterlagen zeigten, dass ein Versicherter auf seinem Versicherungsvertrag eine Urkundenfälschung festgestellt hat; darauf habe Duzhmani ihn zu Hause besucht, um die anscheinend entstandene Prämiendifferenz zu bezahlen. Ein anderer Kunde protestierte, Swiss Home Finance habe entgegen seinem Willen falsche Angaben auf dem Versicherungsantrag gemacht.
Eine gerichtlich festgestellte Tatsache ist auch, dass das Unternehmen teilweise Radiergummi-Kugelschreiber für das Ausfüllen der Versicherungsanträge verwendet hat. Das werfe, so das Handelsgericht, kein gutes Licht auf das Unternehmen – «gerade wenn es um wichtige Dokumente geht, bei welchen nicht der Anschein des Verfälschens bzw. Vertuschens aufkommen darf».
Auf der ganzen Linie gewonnen
Die Gerichte lassen keines von Duzhmanis Gegenargumenten gelten. Auch nicht die Behauptung, sein Qualitätssicherungssystem verunmögliche Unterschriftenfälschungen. Im Gegenteil hält das Handelsgericht fest, «dass ein internes Kontrollsystem, bei dem ein Mitarbeitender die Qualitätskontrolle durchführt, ohnehin nicht zuverlässig sein kann, wenn die fragwürdigen Geschäftspraktiken hinsichtlich Unterschriften betriebsintern gar nicht verheimlicht werden (müssen), sondern – wie auf dem Video ersichtlich – unverhohlen im Büro stattfanden».
Nach vier Jahren Gerichtsverfahren bleiben drei Erkenntnisse. Erstens: Medien brauchen viel Stehvermögen, um gegen die Druckversuche von Anwälten und PR-Agenturen die Wahrheit zu verteidigen. Zweitens: Nur weil man besonders laut und aggressiv auftritt, bedeutet das nicht, dass man vor Gericht auch gewinnt. Und drittens: Man sollte sich gut überlegen, ob man den Ratschlägen von Medienanwälten und PR-Beratern folgt.
Beobachter muss Firma betreiben
Denn das kann kosten, wie der Fall Duzhmani gegen den Beobachter zeigt: für die Inserate in der «NZZ» (24’000 Franken) und «20 Minuten» (23’000 Franken), für die Honorare des Anwaltsbüros Zulauf (Fr. 137’316.95), für den beigezogenen Strafrechtler Cornel Borbély (Fr. 17’977.80), für die Gerichtskosten (10’000 Franken für das Handelsgericht; 5000 Franken für das Bundesgericht) und für die Parteientschädigung an den Anwalt des Beobachters (12’600 Franken). Macht total Fr. 229’894.75. Und das Honorar der PR-Agentur Rod dürfte auch nicht billig gewesen sein.
Nachtrag: Weil sich Duzhmanis Firma Swiss Home Finance weigert, die gerichtlich festgesetzte Parteientschädigung zu zahlen, muss der Beobachter sie auf die geschuldeten 12’600 Franken betreiben.