Die schändliche Tat bewegte vor einem Jahr die Schweiz. Zwei Buben (10 und 13) locken Sarah* vom Spielplatz weg, missbrauchen die 5-Jährige (siehe Kasten). Der Fall wird nur bekannt, weil Sarahs Mutter Marianne Tschus (39) den Mut hat, an die Öffentlichkeit zu treten. Dafür wird sie bewundert. Der «Beobachter» nominiert sie gar für den «Prix Courage».
Das Ehepaar Tschus tut alles, damit Sarah das traumatische Erlebnis verarbeitet. Inzwischen kann Sarah wieder lachen. Die Welt ist wieder in Ordnung.
Doch dann setzen sich in Rhäzüns vier Mütter zusammen. Völlig aus dem Nichts schreiben sie einen Brief an die Schulbehörden. Darin gehen sie auf das Opfer und seine Familie los. Perfid erheben die Frauen Mutmassungen und Hörensagen zu Tatsachen. Und: Sie machen das Opfer zum Täter, nach dem Motto: selber schuld.
Seltsam: Gegenüber BLICK versicherte eine der Frauen gestern, sie habe den Brief nie gelesen und nicht selbst unterzeichnet. Beileibe nicht die einzige Ungereimtheit.
Die Frauen stellen Marianne Tschus als Rabenmutter hin. Es sei ihr egal, wo sich ihre Tochter aufhalte. Sarah sei stundenlang im Dorf allein unterwegs. Kurzum: «Frau Tschus hat keine Ahnung, wo sich Sarah den ganzen Tag aufhält!», heisst es im Brief an die Schulbehörde.
Marianne Tschus kommen die Tränen: «Das stimmt einfach nicht. Ich weiss, wo und bei wem meine Tochter ist!»
Die Frauen werfen ihr auch vor, sie nehme ihre «Aufsichtspflicht» nicht wahr. Sarah gehe aus dem Haus «mit einem kurzen Röckchen und zerrissener Unterwäsche». Als ob Sarah das einzige Mädchen wäre, das im Sommer ein Röckchen trägt.
Marianne Tschus ist empört: «Ich ziehe doch den Kindern nicht die Sonntagskleider an, wenn sie draussen spielen gehen!» Auch Sarahs Kindergärtnerin habe nie Negatives gesagt.
Happige Vorwürfe für eine Mutter. Aber am schlimmsten ist: Die Frauen zweifeln an der Schwere der Tat. «Wie weit dies wirklich gegangen ist, sei dahingestellt!», schreiben sie.
Dabei haben die Buben alles zugegeben. Sie wurden rechtskräftig verurteilt. Die Rädelsführerin sagt gegenüber BLICK tatsächlich: «Ich hätte erwartet, dass Sarah nach der Tat Angst vor Buben und dem Spielplatz hat. Es ging ihr aber so gut, dass ich mich frage, was genau passiert ist!»
Typisch. Dem Opfer wird die Schuld gegeben. Und die Täter werden entschuldigt. So schreiben die Frauen über den jüngeren Täter: «Er ist ein lieber und anständiger Junge, der es nicht verdient hat, wie ein Aussätziger behandelt zu werden.»
Marianne Tschus hat es gewagt, die Behörden zu informieren, als Sarah von ihrem Peiniger beschimpft wurde. Worauf dieser Hausarrest erhielt.
Bezeichnenderweise ist die Rädelsführerin eine enge Freundin seiner Familie.
Zu BLICK sagt sie: «Andere Angehörige von Opfern machen nicht so ein Theater!» Marianne Tschus kann es nicht fassen. «Sarah darf es nicht gutgehen. Wenn ihre Vorwürfe stimmen: Warum haben denn diese Frauen ihre Kinder zu uns zum Spielen geschickt?»
*Name von der Redaktion geändert.
Die Mutter Marianne Tschus geht mutig an die Öffentlichkeit. Nun wagen dies auch Opfer anderswo. Im Dezember 2006 werden die beiden Buben verurteilt. Da gehen sie schon nicht mehr in Rhäzüns zur Schule.
Der 13-Jährige erhält die höchstmögliche Strafe und wird in ein Jugendheim eingewiesen. Der 10-Jährige muss in ein Internat. Wenn die beiden ihre Familien in Rhäzüns besuchen, wird Sarahs Familie orientiert.
Die Mutter Marianne Tschus geht mutig an die Öffentlichkeit. Nun wagen dies auch Opfer anderswo. Im Dezember 2006 werden die beiden Buben verurteilt. Da gehen sie schon nicht mehr in Rhäzüns zur Schule.
Der 13-Jährige erhält die höchstmögliche Strafe und wird in ein Jugendheim eingewiesen. Der 10-Jährige muss in ein Internat. Wenn die beiden ihre Familien in Rhäzüns besuchen, wird Sarahs Familie orientiert.