Länger als ein halbes Jahr hat Leandro F. (16) in Untersuchungshaft gesessen – für einen Jugendlichen ist das ungewöhnlich lang. Der Teenager erschlug am 7. Juni in Elgg ZH seinen Bruder Demian (†22): ein ungeheuerliches Drama, nicht nur für die Eltern und die Schwester. Das ganze 4000-Seelen-Dorf stand wochenlang unter Schock.
Jetzt bestätigt der leitende Jugendanwalt Felix Bieri das Unfassbare: «Wir gehen davon aus, dass der Jugendliche vorsätzlich handelte.» Die Bluttat von Elgg war also kein Unfall, keine Notwehr, keine Fahrlässigkeit.
Leandro wollte, dass sein Bruder stirbt!
Letzte Woche entliess die Jugendanwaltschaft ihn aus der Untersuchungshaft. Gemäss Bieri besteht keine Verdunkelungsgefahr mehr. Auf freien Fuss kommt Leandro aber nicht. «Wir haben eine vorsorgliche Schutzmassnahme in einer geeigneten Institution angeordnet. Dort bleibt er mindestens so lange, bis das psychiatrische Gutachten vorliegt. Dann sehen wir weiter», so Bieri.
Das Gutachten dürfte auch den Schlüssel zum Motiv liefern. Was trieb Leandro zu seiner Tat? Neid? Eifersucht? Hass? Darüber spricht der Jugendanwalt nicht.
Erstellt ist allerdings der objektive Tatbestand: Leandro F. hat seinen Bruder am 7. Juni im Treppenhaus des Elternhauses mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen – vorsätzlich.
Damit flammen erneut quälende Fragen auf: Niemand im Dorf kann sich erklären, warum Leandro wollte, dass sein Bruder stirbt. «Wir wissen überhaupt nicht, was passiert ist», sagte eine Tante kurz nach der Tat. «Die beiden sind doch immer so gut miteinander ausgekommen. Ich wüsste nicht, dass sie je miteinander Streit hatten.»
Leandros Lehrerin Louise Kobierski (53) bezeichnet ihren Schüler als «friedfertig, pflegeleicht, offen, fleissig und beliebt».
Bekannte beschreiben das Opfer Demian als «blitzgescheit und schlagfertig». Er studierte deutsche Literatur, mochte Hermann Hesse, Rainer Maria Rilke und Günter Grass. Zudem spielte Demian Bass in einer Band – mit zunehmendem Erfolg. Sogar ein erstes TV-Interview hatte er schon gegeben.
Die Band wollte an einem lokalen Open Air auftreten, am Tag zuvor starb Demian. Danach war der Dreh eines Musikvideos geplant. Es kam nicht mehr dazu.
Der Jüngere der beiden konnte nicht mit dem erfolgreichen Bruder Schritt halten. Leandro musste vom Gymnasium zurück an die Sekundarschule, weil sein Notenschnitt zu tief war. Auch die Aufnahmeprüfung für die Berufsmaturitätsschule hatte er nicht bestanden. «Er war sehr enttäuscht», erinnert sich ein Schulkollege.
Kam es zu dem tödlichen Streit, weil sich Leandro immer schwerer tat, mit dem Erfolg seines Bruders mitzuhalten? Hatte ihm Demian die Freundin ausgespannt? Oder tötete Leandro im Drogenrausch? – «Das ist alles möglich», sagt der erfahrene Kinder- und Jugendpsychiater Frank Köhnlein (46).
Für den Experten und Fachautor steht fest, dass eine solche Tat im engsten Familienkreis eine Vorgeschichte und einen unmittelbaren Auslöser haben muss. Denn: «Aus heiterem Himmel geschieht so was nicht.»
Weil Leandro zum Zeitpunkt der Tat schon 16 Jahre alt war, droht ihm eine Gefängnisstrafe von maximal vier Jahren. Im Anschluss an die Haft können Massnahmen angeordnet werden, bis er 25-jährig ist.
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Wie lange kann ein Minderjähriger in Untersuchungshaft gehalten werden?
Ein Mal wurde die U-Haft von Leandro F. (16) bereits verlängert. Eine Obergrenze für den Aufenthalt in Untersuchungshaft gibt es auch für Jugendliche nicht. Allerdings: «Unsere Erfahrungen zeigen, dass Untersuchungshaft bei Jugendlichen selten länger als zwei bis drei Wochen dauert», sagt Beat Fritsche, Leiter der Jugendanwaltschaft Winterthur. «Es gibt aber auch Ausnahmen.»
Wozu dient die U-Haft?
Während der Tatverdächtige in Untersuchungshaft sitzt, sammeln Polizei und Jugendanwaltschaft Beweise. «Untersuchungshaft ist kein vorzeitiger Strafvollzug, sondern dient einzig der Beweissicherung im Verfahren», erklärt Beat Fritsche. Wichtig dabei ist, dass sich der Tatverdächtige nicht mit anderen absprechen kann. Deshalb darf Leandro seine Eltern nur unter Aufsicht sehen.
Welche Strafe droht Leandro?
War der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat 15 Jahre alt, droht ihm maximal ein Jahr Freiheitsentzug. War er 16 oder älter, kann er mit bis zu vier Jahren Haft bestraft werden. Im Anschluss an die Haft können Massnahmen angeordnet werden. Die milden Strafen für jugendliche Täter werden oft kritisiert. Etwa im Fall von Michael R. (17), der 2008 in Muotathal SZ Stiefmutter (†39) und Stiefbruder (†13) ermordete und verurteilt wurde. Ins Gefängnis musste er aber nicht. Sollte sich im Fall Elgg die Notwehrversion bestätigen, kann Leandro mit Freispruch rechnen.
Wie oft töten Minderjährige?
Zwischen 1999 und 2012 registrierten die Behörden 118 Fälle. Die entsprechenden Urteile lauteten auf Mord (in 17 Fällen), vorsätzliche Tötung (48), Totschlag (1), Tötung auf Verlangen (1), Kindstötung (1) oder fahrlässige Tötung (50).
(Leo Ferraro)
Wie lange kann ein Minderjähriger in Untersuchungshaft gehalten werden?
Ein Mal wurde die U-Haft von Leandro F. (16) bereits verlängert. Eine Obergrenze für den Aufenthalt in Untersuchungshaft gibt es auch für Jugendliche nicht. Allerdings: «Unsere Erfahrungen zeigen, dass Untersuchungshaft bei Jugendlichen selten länger als zwei bis drei Wochen dauert», sagt Beat Fritsche, Leiter der Jugendanwaltschaft Winterthur. «Es gibt aber auch Ausnahmen.»
Wozu dient die U-Haft?
Während der Tatverdächtige in Untersuchungshaft sitzt, sammeln Polizei und Jugendanwaltschaft Beweise. «Untersuchungshaft ist kein vorzeitiger Strafvollzug, sondern dient einzig der Beweissicherung im Verfahren», erklärt Beat Fritsche. Wichtig dabei ist, dass sich der Tatverdächtige nicht mit anderen absprechen kann. Deshalb darf Leandro seine Eltern nur unter Aufsicht sehen.
Welche Strafe droht Leandro?
War der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat 15 Jahre alt, droht ihm maximal ein Jahr Freiheitsentzug. War er 16 oder älter, kann er mit bis zu vier Jahren Haft bestraft werden. Im Anschluss an die Haft können Massnahmen angeordnet werden. Die milden Strafen für jugendliche Täter werden oft kritisiert. Etwa im Fall von Michael R. (17), der 2008 in Muotathal SZ Stiefmutter (†39) und Stiefbruder (†13) ermordete und verurteilt wurde. Ins Gefängnis musste er aber nicht. Sollte sich im Fall Elgg die Notwehrversion bestätigen, kann Leandro mit Freispruch rechnen.
Wie oft töten Minderjährige?
Zwischen 1999 und 2012 registrierten die Behörden 118 Fälle. Die entsprechenden Urteile lauteten auf Mord (in 17 Fällen), vorsätzliche Tötung (48), Totschlag (1), Tötung auf Verlangen (1), Kindstötung (1) oder fahrlässige Tötung (50).
(Leo Ferraro)