Eine riesige Welle der Solidarität hat der SonntagsBlick-Artikel vor einer Woche ausgelöst: Die Schicksale von zwei Familien, die von ihrem Leben hart an der Grenze zur Armut erzählten, hat die Leserinnen und Leser tief gerührt. Amanda (28) und Daniel (36) Bearth reichts kaum für einen Christbaum, sie sparen hart für ein Weihnachtsgeschenk für Söhnchen Samuel (2). Bei Daniel Fuchs (57) mit Frau Martina (48) und Sohn Tim (19) liegen schon gar keine Geschenke drin.
Hunderte E-Mails von Menschen, die helfen wollen, fluteten die SonntagsBlick-Mailbox. Herzen wurden geöffnet – aber auch Portemonnaies und Schränke. Spielsachen für den kleinen Samuel wurden geschickt, Geld für einen Ausflug, Einladungen zu einem Kinobesuch.
Auch Nadja (36) und Peter (42) aus der Region Zürich setzten sich an den Computer und schrieben ein E-Mail an SonntagsBlick – einen Christbaum mitsamt Weihnachtsschmuck möchten sie der Familie Bearth schenken. «Wir erinnerten uns an die Weihnachtszeit im eigenen Elternhaus. An einen grossen, wunderschön geschmückten Baum», sagt Peter. «Als wir hörten, dass die Familie sich nur knapp einen Baum leisten könne, wussten wir, dass wir helfen möchten.»
Gestern Samstag war es dann so weit: Nadja und Peter bringen einen wunderschönen Tannenbaum, den sie mit Amanda Bearth und Sohn Samuel gleich mit Kugeln, Kerzen und Lametta schmücken. Auch Geschenke haben sie mitgebracht. Einen Spielzeug-Lastwagen für Samuel, der nicht warten kann und gleich die Verpackung aufreisst.
«Diese Weihnachten wird er sicherlich nicht so schnell wieder vergessen», freut sich Mutter Amanda. Aber nicht nur Samuel wird verwöhnt, sondern auch für Daniel Bearth und Amanda liegt ein Päckchen unterm Weihnachtsbaum bereit – sie werden es bei der Bescherung an Heiligabend öffnen.
«Wir sind vor kurzem Eltern geworden, dann berührt einen so eine Geschichte noch mehr», sagt Nadja, während die kleine Mia (3 Monate) in ihrem Arm liegt. «Heute konnten wir die leuchtenden Augen und die Freude in den Gesichtern sehen. Da weiss man sofort, dass man etwas Gutes tut.»
Daniel Fuchs (57) ist immer noch gerührt von der Hilfsbereitschaft der SonntagsBlick-Leser. «Es ist wie ein Sechser im Lotto, so unerwartet! Ich bin einfach nur überwältigt.» Schon am letzten Sonntagabend lag ein Couvert mit 200 Franken in seinem Briefkasten. Hunderte Nachrichten hat er erhalten, von Leuten, die ihm und seiner Famlie finanziell unter die Arme greifen oder ein Geschenk schicken wollen. So viele sinds, er ist immer noch am Antworten.
Danke, liebe Leserinnen und Leser! Sie haben zwei Familien eine wunderbare Weihnachtszeit beschert, die sie nie vergessen werden.
Warum reden wir seit Jahren über Kinderarmut in der Schweiz – und nichts passiert?
Ellen Ringier: Wenn ein gesellschaftliches Problem in den Händen der Politik liegt, dauert es regelmässig lange, bis eine Lösung in Sicht ist. Wir reden ja auch seit Jahrzehnten über die Lohngleichheit bei Mann und Frau und nichts passiert. Solche Dinge, die im Parlament keine Mehrheiten finden, werden schlicht verschleppt.
Aber kein Politiker kann ein Interesse daran haben, dass in der reichen Schweiz jedes sechste Kind in Armut lebt!
Seien wir ehrlich: Mindestens ein Drittel der Bevölkerung ist der Meinung, dass wir schon genug Sozialleistungen auszahlen. Auch viele Politiker denken so. Deshalb tut sich nichts.
Sie setzen sich mit der Stiftung Humanitas für Arme in der Schweiz ein. Sie wissen: Was hilft wirklich?
Wir helfen bis zu 300 Familien pro Jahr, die in Not sind, und arbeiten eng mit anderen Stiftungen zusammen. Manchmal ist es nur ein Wintermantel oder ein Geschenkkorb mit Essen, der die Menschen glücklich macht. Wenn wir helfen, geben wir den Leuten das motivierende Gefühl, dass sie mit ihren Problemen nicht ganz allein sind. Wir wollen Brücken bauen, Probleme wegnehmen und den Menschen helfen, dass sie alleine wieder auf die Beine kommen.
Viele Leute sagen, wer’s nötig hat, bekommt Geld vom Staat.
Das stimmt leider nicht. Es dauert oft viel zu lange, bis die Sozialhilfe oder die IV einspringen, teils geht das Monate. Die Zwischenzeit ohne Geld und der psychische Stress, das macht Fami-lien kaputt. Ich kenne Fälle, da müssen Nachbarn Tüten voller Lebensmittel vorbeibringen, damit die Familien zu essen haben. Das Schlimme ist doch: In der Armut folgt ein Problem dem anderen. Hinter fast jeder Familie steht eine Tragödie, eine Krankheit, Depression, lähmende Langzeitarbeitslosigkeit oder ähnliches. Es gab und es wird immer Menschen geben, die nicht über die Widerstandsfähige verfügen, um solche Unglücke, die das Leben mit sich bringt, zu verkraften. Da kann man nicht sagen: Sie sind selber schuld. Man bricht den Stab heute zu schnell über andere.
Was muss passieren, damit wir in fünf Jahren nicht immer noch darüber reden, dass zu viele Kinder in der Schweiz arm sind?
Es braucht in Bern einen Solidaritätsfonds für solche Fälle, das muss in unserem reichen Land möglich sein. Noch schöner aber wäre es, wenn wir uns wieder angewöhnen könnten, empathisch statt gleichgültig an andere zu denken. Ein Anfang wäre, wenn jeder zu Weihnachten ein Drittel weniger schenkt – und den Rest denen gibt, die es wirklich brauchen.
Warum reden wir seit Jahren über Kinderarmut in der Schweiz – und nichts passiert?
Ellen Ringier: Wenn ein gesellschaftliches Problem in den Händen der Politik liegt, dauert es regelmässig lange, bis eine Lösung in Sicht ist. Wir reden ja auch seit Jahrzehnten über die Lohngleichheit bei Mann und Frau und nichts passiert. Solche Dinge, die im Parlament keine Mehrheiten finden, werden schlicht verschleppt.
Aber kein Politiker kann ein Interesse daran haben, dass in der reichen Schweiz jedes sechste Kind in Armut lebt!
Seien wir ehrlich: Mindestens ein Drittel der Bevölkerung ist der Meinung, dass wir schon genug Sozialleistungen auszahlen. Auch viele Politiker denken so. Deshalb tut sich nichts.
Sie setzen sich mit der Stiftung Humanitas für Arme in der Schweiz ein. Sie wissen: Was hilft wirklich?
Wir helfen bis zu 300 Familien pro Jahr, die in Not sind, und arbeiten eng mit anderen Stiftungen zusammen. Manchmal ist es nur ein Wintermantel oder ein Geschenkkorb mit Essen, der die Menschen glücklich macht. Wenn wir helfen, geben wir den Leuten das motivierende Gefühl, dass sie mit ihren Problemen nicht ganz allein sind. Wir wollen Brücken bauen, Probleme wegnehmen und den Menschen helfen, dass sie alleine wieder auf die Beine kommen.
Viele Leute sagen, wer’s nötig hat, bekommt Geld vom Staat.
Das stimmt leider nicht. Es dauert oft viel zu lange, bis die Sozialhilfe oder die IV einspringen, teils geht das Monate. Die Zwischenzeit ohne Geld und der psychische Stress, das macht Fami-lien kaputt. Ich kenne Fälle, da müssen Nachbarn Tüten voller Lebensmittel vorbeibringen, damit die Familien zu essen haben. Das Schlimme ist doch: In der Armut folgt ein Problem dem anderen. Hinter fast jeder Familie steht eine Tragödie, eine Krankheit, Depression, lähmende Langzeitarbeitslosigkeit oder ähnliches. Es gab und es wird immer Menschen geben, die nicht über die Widerstandsfähige verfügen, um solche Unglücke, die das Leben mit sich bringt, zu verkraften. Da kann man nicht sagen: Sie sind selber schuld. Man bricht den Stab heute zu schnell über andere.
Was muss passieren, damit wir in fünf Jahren nicht immer noch darüber reden, dass zu viele Kinder in der Schweiz arm sind?
Es braucht in Bern einen Solidaritätsfonds für solche Fälle, das muss in unserem reichen Land möglich sein. Noch schöner aber wäre es, wenn wir uns wieder angewöhnen könnten, empathisch statt gleichgültig an andere zu denken. Ein Anfang wäre, wenn jeder zu Weihnachten ein Drittel weniger schenkt – und den Rest denen gibt, die es wirklich brauchen.