BLICK auf den Spuren der Sex-Bande von Steffisburg
Was geschah auf diesem Estrich?

Publiziert: 16.11.2006 um 20:20 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:01 Uhr
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Von Ralph Donghi und Hannes Heldstab
STEFFISBURG – «Oh Gott, sehen Sie nur.» Therese B. (46) hebt eine offene Schachtel Kondome auf. Wir stehen auf dem Estrich ihres Hauses. Hier sollen sieben Burschen mehrmals über die 14-jährige Melanie* hergefallen sein.

Steffisburg ist in Aufruhr. Seit Montag gibt es im Städtchen nur noch ein Thema: das Schicksal der 14-jährigen Melanie. BLICK hat sich gestern auf Spurensuche gemacht.

Zwei Jugendliche führen uns zu einem Haus. «Hier oben auf dem Estrich hat die Bande mit Melanie Sex gehabt», sagt einer. Das Haus liegt nur wenige Gehminuten vom Oberstufenschulhaus Schönau entfernt, wo das Mädchen zur Schule geht.

Eine Frau öffnet die Tür. Therese B. sagt: «Ja, da muss während unserer Ferien irgendetwas passiert sein. Die Estrich-Tür war aufgebrochen und mein Sohn sagte mir, Melanie sei dort mit mehreren Typen gewesen.»

Therese B. führt BLICK auf den Estrich. In einem ersten Raum hats Gerümpel und eine alte Matratze. Weiter hinten im zweiten Raum liegen zwei Matratzen am Boden. Hier findet Therese B. das aufgerissene Pariser-Päckli. «Unfassbar», sagt sie. «Die Polizei war bis jetzt nicht hier.»

Im Nachbarhaus dagegen war sie bereits. In einem angebauten Schuppen soll Melanie ebenfalls missbraucht worden sein.

Was haben die Burschen mit der 14-Jährigen angestellt? Kapo-Sprecherin Ursula Stauffer sagt nur: «Die Ermittlungen laufen weiter auf Hochtouren.»

Sieben Burschen sitzen in Haft. Kollusionsgefahr. Jeder tischt der Polizei eine andere Geschichte auf. BLICK weiss: Es handelt sich um zwei albanische Brüder (15 und 16), einen Pakistani (15), einen Schweizer tamilischer Herkunft (16), einen Brasilianer (18) und zwei weitere Ausländer (beide 18). In unterschiedlicher Zusammensetzung soll die Bande über Wochen Sex mit Melanie gehabt haben.

Am Halloween-Abend, am 31. Oktober, solls auf dem Musterplatz bei der Sporthalle zu solch einem Übergriff gekommen sein. Augenzeugen erzählen, dass auch die Polizei anrückte – aber die Täter waren schon weg.

Zwei der Burschen holte die Polizei direkt aus dem Schulunterricht. Als BLICK gestern kurz vor 12 Uhr zum Schulhaus Schönau geht, läuft uns Schulleiter Thomas Jost (48) über den Weg. Er ist wortkarg: «Dieser Vorfall geht an uns vorbei. Und wir haben eine Weisung erhalten, darüber keine Auskunft zu geben.»

Dann sagt Jost noch: «Die Schülerin ist in dieser Klasse bestens aufgehoben. Der Klassenlehrer kann am besten abschätzen, was jetzt getan werden muss.» Da ruft ein Schüler aus einer Gruppe heraus: «Wenn wir was sagen, fliegen wir von der Schule.» Heute erhalten alle Eltern einen Brief der Schulkommission zum Vorfall.

BLICK gibt sich mit der Antwort von Schulleiter Jost nicht zufrieden. Wir haken nach bei Schulkommissionspräsidentin und Gemeinderätin Ursulina Huder (48, SP). Auch sie sagt bloss: «Wir sind geschockt und betroffen. Die Lehrer haben den Kindern gesagt, sie sollen nicht reden, um das betroffene Mädchen zu schützen.»

Schützen? Als der Klassenlehrer seine 8a am Montag über die Sex-Übergriffe informiert, sitzt Melanie in der Klasse. Seither fehlt sie im Unterricht.

Kein Zweifel, das Mädchen braucht jetzt Schutz.

«Für das betroffene Mädchen ist das eine Katastrophe, eine tiefe Demütigung, die schwerwiegende Folgen für seine Entwicklung haben kann», sagt Regula Schwager von der Zürcher Opferberatungsstelle Castagna (siehe Interview).

In der Schule sagt man, dass Melanie «immer vielen Jungs SMS geschickt und sie scharf gemacht hat». Ein Schüler: «Sie war in einen der Verhafteten verliebt. Als dieser sie mit seinen Kollegen nur ausnutzte und ihr einen Korb gab, hat sie vermutlich Rache geschworen und die Übergriffe ihrem Lehrer erzählt.»

*Namen der Redaktion bekannt

«Für das Mädchen eine Katastrophe»
ZÜRICH – Eine Gruppe Jugendlicher missbraucht ein Mädchen. BLICK sprach mit Regula Schwager von der Zürcher Opferberatungsstelle Castagna.BLICK: Ist das, was in Steffisburg passiert ist, ein Einzelfall?Regula Schwager: «Nein. Leider gibt es immer wieder Fälle, wo eine Gruppe Jugendlicher ein Mädchen vergewaltigt. Dabei gibt es in den Gruppen Rädelsführer und solche, die einfach mitmachen. Wichtig ist: Beide sind gleichermassen verantwortlich für die schlimme Tat.»Welche Folgen hat die Tat für das Opfer?«Für das betroffene Mädchen ist das eine Katastrophe, eine tiefe Demütigung, die schwerwiegende Folgen für seine Entwicklung haben kann. Wichtig ist, dass das Mädchen geschützt wird und professionelle Hilfe bekommt, wenn es das möchte.»Auffällig ist, dass die Täter von Steffisburg und Rhäzüns Ausländer waren. «Die Kriminalstatistik zeigt, dass Jugendliche aus anderen Ländern häufiger Gewalttaten begehen als Schweizer Jugendliche. Ob das auch für Sexualdelikte gilt, weiss ich nicht. Doch kulturelle Faktoren spielen neben vielen anderen beim sexuellen Missbrauch sicher eine Rolle.» www.castagna.ch
ZÜRICH – Eine Gruppe Jugendlicher missbraucht ein Mädchen. BLICK sprach mit Regula Schwager von der Zürcher Opferberatungsstelle Castagna.BLICK: Ist das, was in Steffisburg passiert ist, ein Einzelfall?Regula Schwager: «Nein. Leider gibt es immer wieder Fälle, wo eine Gruppe Jugendlicher ein Mädchen vergewaltigt. Dabei gibt es in den Gruppen Rädelsführer und solche, die einfach mitmachen. Wichtig ist: Beide sind gleichermassen verantwortlich für die schlimme Tat.»Welche Folgen hat die Tat für das Opfer?«Für das betroffene Mädchen ist das eine Katastrophe, eine tiefe Demütigung, die schwerwiegende Folgen für seine Entwicklung haben kann. Wichtig ist, dass das Mädchen geschützt wird und professionelle Hilfe bekommt, wenn es das möchte.»Auffällig ist, dass die Täter von Steffisburg und Rhäzüns Ausländer waren. «Die Kriminalstatistik zeigt, dass Jugendliche aus anderen Ländern häufiger Gewalttaten begehen als Schweizer Jugendliche. Ob das auch für Sexualdelikte gilt, weiss ich nicht. Doch kulturelle Faktoren spielen neben vielen anderen beim sexuellen Missbrauch sicher eine Rolle.» www.castagna.ch
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