Berührender Abschiedsbrief
Holocaust-Überlebende (†96) nutzt Sterbehilfe in der Schweiz

Sie flüchtete als Kind vor den Nazis, überlebte den Holocaust und machte Karriere als Schauspielerin. Doch jetzt ist Ruth Posner im Alter von 96 Jahren gestorben. Keines natürlichen Todes, sondern durch Sterbehilfe. Dafür reiste die Polin extra in die Schweiz.
Publiziert: 16:04 Uhr
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Aktualisiert: 16:37 Uhr
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Sie überlebte den Holocaust und entschied sich, mit 96 Jahren zu sterben: die Britin Ruth Posner.
Foto: DUKAS

Darum gehts

  • Holocaust-Überlebende und Ehemann wählen gemeinsamen Freitod in der Schweiz
  • Paar hinterlässt bewegende E-Mail an Freunde und Familie
  • Sterbehilfe in Grossbritannien verboten, Haftstrafen bis zu 14 Jahren möglich
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Johannes HilligRedaktor News

«Die Entscheidung wurde einvernehmlich und ohne Druck von aussen getroffen. Wir hatten ein langes Leben und haben fast 75 Jahre zusammengelebt», schreiben Ruth Posner (†96) und ihr Mann Michael Posner (†97) in einer E-Mail an Freunde und Familie. Das Paar hatte sich entschieden, zu sterben. Gemeinsam. So wie sie gelebt hatten. 

Die Holocaust-Überlebende und ihr Mann waren deswegen in die Schweiz gekommen, um in einem Sterbehilfe-Spital des Basler Vereins Pegasos aus dem Leben zu scheiden, wie die «Times» berichtet. 

Posner überlebte als Kind die Verfolgung durch die Nazis im Dritten Reich, anders als der Grossteil ihrer Familie. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam sie nach Grossbritannien und fand dort ihr Glück, sowohl beruflich als Schauspielerin, als auch in der Liebe. Sie lernte ihren späteren Ehemann, den Chemiker Michael Posner, kennen.

«Irgendwann kam der Punkt»

Als die E-Mail an Freunde und Familie verschickt wurde, war das Ehepaar Posner bereits tot. Und darin erklären sie ihre Entscheidung, selbstbestimmt zu sterben.

«Irgendwann kam der Punkt, an dem es mit nachlassenden Sinnen, dem Seh- und Hörvermögen und dem Energiemangel kein Leben mehr, sondern ein Existieren war, das keine Pflege mehr aufbessern konnte.» Sie hätten als Paar ein abwechslungsreiches Leben gehabt. Die Nachricht schliesst mit: «Wir haben versucht, der Vergangenheit nicht nachzutrauern, in der Gegenwart zu leben und nicht zu viel von der Zukunft zu erwarten. Alles Liebe, Ruth & Mike.»

Neues Sterbehilfegesetz für Grossbritannien geplant

Sterbehilfe ist in Grossbritannien verboten, vorgesehen sind Haftstrafen von bis zu 14 Jahren. Aber es tut sich etwas. Erst im Sommer verabschiedete das britische Unterhaus einen Gesetzesentwurf zur Legalisierung von Sterbehilfe. Der Gesetzentwurf sieht vor, Sterbehilfe für unheilbar kranke Erwachsene in England und Wales unter bestimmten Bedingungen zu erlauben. 

Das Gesetz soll für Menschen gelten, die nur noch weniger als sechs Monate zu leben haben und in der Lage sind, die tödliche Substanz selbst einzunehmen. Nötig wäre ausserdem die Einwilligung von zwei Ärzten und einem Gremium aus Experten.

Laut der BBC waren weder Ruth Posner noch ihr Mann todkrank. Sie hätten trotz des neuen Gesetzes keine Sterbehilfe in ihrer Heimat beanspruchen können. 

Hinter dem Verein Pegasos steht Ruedi Habegger

Auch der renommierte US-israelische Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman (†90) kam für Sterbehilfe in die Schweiz. Ebenfalls durch den Basler Verein Pegasos. Am 27. März 2024 wählte er den assistierten Suizid. Und auch der Wissenschaftler schrieb seiner Familie einen Abschiedsbrief.

Hinter dem Verein Pegasos steht Ruedi Habegger (71). Den assistierten Freitod nahmen bisher zum Grossteil Australier, Britinnen, Amerikaner und Italienerinnen in Anspruch. Habegger hat sein Sterbezimmer von Liestal nach Nunningen SO verlegt, weil hier «eingebettet in eine wunderbare Natur, ausserhalb von dicht besiedeltem Gebiet, mit Diskretion» Freitodbegleitungen durchgeführt werden könnten.

Hier findest du Hilfe

Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:

Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben

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