Wahrscheinlich war es eine unglückliche Kettenreaktion. Ein Hund fällt in den Bielersee, seine Besitzerin will ihn retten und kriegt selbst Probleme, eine zweite Frau sieht die Notsituation und greift ebenfalls ein. Am Ende sind alle tot, die mit dem Wasser in Berührung kamen.
Erste Ermittlungen der Berner Kantonspolizei zeigen: Der Defekt eines Kabels der elektrischen Installation am Hafen ist die Ursache des Unglücks. Weitere Personen erlitten bei Rettungsversuchen ebenfalls Stromstösse.
Doch wie wirkt Elektrizität, die ins Wasser fliesst? Wie gross ist die Gefahrenzone? Und wie stark wirken Stromstösse in einem See?
BLICK fragte beim Eidgenössischen Starkstrominspektorat Esti und bei der Fachkommission für Hochspannungsfragen (FKH) nach.
«Nur ein lokaler Bereich steht unter Strom»
Laut Roland Hürlimann, Inspektions-Leiter von Esti, ist natürlich nicht der ganze See unter Strom, wenn ein Kabel ins Wasser hängt: «Wenn eine elektrische Leitung im Wasser unter Spannung steht und defekt ist, steht nur ein lokaler Bereich unter Strom.»
Doch es bildet sich ein elektrisches Spannungsfeld. «Im Wasser wird dann ein sogenanntes trichterförmiges Potenzialfeld gebildet. Je grösser das unter Strom gesetzte Metall-Teil, desto grösser der Umkreis», erklärt Reinhold Bräunlich von der Fachkommission für Hochspannungsfragen. Im aktuellen Fall sei die Gefahrenzone wohl einige Meter gross gewesen.
Für Bräunlich ist die plausibelste Erklärung, dass eine Faser des defekten Kabels mit einem grösseren Metall-Teil in Berührung kam, welches ins Wasser ragte. Tatsächlich schreibt die Polizei, dass der Strom über das Geländer im Hafen ins Wasser kam.
«Wenn das Geländer beim Einsteigen ins Wasser oder aus dem Wasser heraus berührt wird, ist eine tödliche Elektrisierung sehr wahrscheinlich. Dieses Szenario ist wesentlich schwerwiegender, als wenn die Metallteile das Wasser berühren und der Körper im Wasser nur in die Nähe kommt», erklärt Bräunlich.
Auch sei ein Stromschlag im Wasser viel gefährlicher als an Land. «Eine Berührung des unter Spannung stehenden Geländers vom Boden oder vom Steg aus ist wegen des schlechteren Bodenkontakts weniger verhängnisvoll verglichen mit dem Fall, bei dem Körperteile im Wasser eingetaucht sind», so der Experte.
Aber wie sollen Retter in einem solchen Fall vorgehen?
Als Erstes müsse man natürlich die Stromquelle ausschalten, sagt Roland Hürlimann. Danach könne man die Person mit einem isolierenden Gegenstand wie zum Beispiel Holz aus der Gefahrenzone bringen – ohne sie direkt anzufassen.
Nicht der erste Strom-Unfall im Wasser
Bereits 2013 starb in der Stadt Neuenburg ein 17-jähriger Schwimmer wegen eines Stromschlags. 2016 wurde deswegen ein Angestellter des Stromversorgers verurteilt, weil er die Installationen zu wenig genau überprüft hatte.