Hier fühlte er sich wohl. Hier gab er sich ungezwungen. Und hier liess er sich ein prächtiges Chalet bauen. Denn versteckt hat sich Roman Polanski (76) in Gstaad BE ganz bestimmt nicht. Letztmals war er im August im Saanerland.
«Viele Prominente verhalten sich bei uns sehr vorsichtig und diskret – aber nicht Roman Polanski», sagt Tourismusdirektor Roger Seifritz (46). «Er zeigt sich in der Region gerne und oft. Seit Jahrzehnten. Man sah ihn überall. Warum man ihn jetzt gerade verhaften musste, ist schon überraschend.»
Der Bundesrat sagt, man habe ihn gefasst, weil man endlich genau gewusst habe, wo er sei. Eine versteckte Kritik an der Berner Kantonspolizei? «Herr Polanski wurde in den letzten Jahren nie polizeilich festgestellt», sagt Kapo-Sprecher Stefan von Below. Ergo habe man nie den Haftbefehl in der Datenbank gesehen. «Und wir werden ja nicht immer informiert, wenn Prominente in unseren Kanton kommen. Sie müssen ihre Ferienpläne nicht vorher einreichen. Darum kommen sie ja gerne.» Auf Diskretheit legt man nicht nur bei der Polizei Wert: «Herr Polanski ist immer korrekt. Sehr freundlich», sagt der Inhaber der Gstaader Edel-Boutique Antonella. «Verrückt so jemanden für etwas einzubuchten, das vor 30 Jahren geschehen ist!» Doch dann winkt der Verkäufer ab. «Wir in Gstaad sprechen nicht über unsere Kunden. Sie können überall fragen – wir sagen nichts.»
Tatsächlich, überall dasselbe: «Ja, Herr Polanski isst hier regelmässig», sagt die Rezeptionistin im Vierstern-Restaurant «Bernerhof». «Aber weiter möchten wir nichts sagen. Wir sind diskret.» Dazu ein höfliches Oberländer Lächeln.
Dabei ist man nicht etwa ahnungslos hier: «Ich wusste von dem Verfahren in den USA», sagt Tourismuschef Seifritz. «Aber ich glaubte, das sei bereits vorbei.» Und was nun für die Tourismusregion? «Ich sage nur: zum Glück hat ihn die Polizei nicht in Gstaad verhaftet», seufzt Seifritz. «Sonst käme noch jemand auf die Idee, wir hätten ihn verpfiffen.» Und das wäre unerträglich für das diskrete Gstaad.
Anders sieht das höchstens Taxifahrer Willi Bütschi (53): «Möchte ja wissen, wie die Franzosen und Polen denken würden, wenn es ihre 13-jährige Tochter gewesen wäre. Wir Normal-Bürger sässen schon lang im Knast. Der profitierte nur vom Promi-Bonus.» Sprichts – und chauffiert den nächsten Promi.
Einen Kilometer von Gstaad weg, Richtung Saanen, leicht erhöht am Hang, steht Polanskis Innerstes: sein Chalet «Milky Way». Heute, zwei Tage nach seiner Verhaftung, sind gerade die Elektriker im Haus.
Polanskis Nachbar hat einen tollen Blick aufs Chalet. «Die Familie ist oft hier», sagt er. Er selber habe jedoch nicht oft Kontakt mit dem Regie-Star. «Vor etwa zwei Jahren bekam ich aber gar eine Einladung zum Apéro. Als das Chalet fertig war. Aber leider hatte ich keine Zeit.»
In der Gegend steht noch manches diskretes Haus. «Und weiter oben wohnen die richtig Reichen», weiss der Nachbar.
Es gibt Gstaader, die sind noch wichtiger als Roman Polanski.