Wilderswil im Berner Oberland: An der Strasse nach Saxeten versammelten sich am Vormittag etwa 30 Leute zum Gedenken an die Opfer des Canyoning-Unglücks. Auf den Tag genau vor 20 Jahren starben hier in der Schlucht 21 junge Menschen. Die Bilder der Katastrophe gingen um die Welt: von leblosen Körpern, die an Seilwinden ausgeflogen wurden und Booten, die das Delta der Lütschine am Brienzersee absuchten – auf der Suche nach den Verunglückten. Von den 21 Opfern wurde eines bis heute nicht gefunden. 14 der Opfer waren Australier, es war das australische Konsulat in Genf, das die heutige Gedenkfeier, zu der nur Angehörige und Offizielle eingeladen waren, organisierte.
BLICK traf im Anschluss an die Gedenkfeier Tiffany Johnson (41), eine der Überlebenden. Sie reiste diese Woche mit ihrer Familie aus Australien nach Zürich. Erstmals seit der Katastrophe ist sie wieder am Unglücksort. Sie habe dank der Reise in die Schweiz Gewissheit, dass ihre Freunde an einem schönen Ort gestorben seien, sagt sie. Die Katastrophe von damals habe sie für immer verändert, die Verletzungen von damals seien auch heute noch nicht verheilt, «doch mein Besuch hier erfüllt mich mit Frieden», sagt Johnson, die ihre Erlebnisse vom Sommer 1999 in ihrem Buch «Brave Enough Now» verarbeitet hat.
Johnson zog bei dem Unglück schwere Verletzungen davon, die zum Teil nicht verheilten: Wegen des Traumas leidet sie an Diabetes.
Chefs der Canyoning-Anbieter wurden verurteilt
Am Abend des 27. Juli 1999 stiegen 45 Touristen geführt von einem Canyoning-Anbieter in die Schlucht bei Saxeten BE. Die beiden mittleren Gruppen und eine Person aus der ersten Gruppe wurden von der Flutwelle aus Wasser, Steinen und Geäst erfasst, unter ihnen Tiffany Johnson.
Die Guides hatten vor dem Abmarsch das Wetter geprüft und die Tour als durchführbar beurteilt. Nur konnten sie vom Einstiegsort in die Schlucht nicht erkennen, dass sich im Einzugsgebiet ein Gewitter zusammengebraut hatte. Als die zwei Meter hohe Flutwelle heranschoss, versuchten sie, so viele Touristen wie möglich zu retten. Drei Guides bezahlten ihren Einsatz mit dem Leben. Nach dem Unglück wurde die Schuldfrage heftig diskutiert. Zweieinhalb Jahre nach der Katastrophe kam es zur Gerichtsverhandlung gegen die Verantwortlichen. Die Guides wurden freigesprochen. Die Chefs der Anbieterfirma wurden wegen fahrlässiger Tötung zu bedingten Gefängnisstrafen verurteilt. Die Chefs hätten ihre Sorgfaltspflicht verletzt, kam das Gericht zum Schluss.