Wie altvertraut die leicht kreidebleiche Wandtafel doch ist! Und wie lange es dauern kann, bis jeder Schüler seinen Namen aufs Papier geschrieben hat! Alles noch wie früher in der Klasse von Didi Münstermann im Gymnasium Neufeld in Bern.
Bis man fragt: «Wer von euch isst vegetarisch?» Und fünf Hände in die Höhe schnellen. Auf die Frage «Wer isst bewusst nachhaltig?», melden sich sogar 23 Schüler – bis auf zwei ist die ganze Klasse dabei.
Da ist Anastasija Cvetkovic (17). Sie isst am liebsten Müesli, bevorzugt mit Beeren. Damit sie die auch im Winter zur Verfügung hat, friert sie im Frühling Schweizer Erdbeeren ein. «Wenn die Früchte einen langen Transportweg haben, verzichte ich darauf», sagt sie.
«Erdbeeren gibts nur, wenn Saison ist»
Auch Oliver Bucher (17) mag Beeren, ist aber hässig auf Obst aus dem Ausland: «Es regt mich auf, wenn Leute Erdbeeren aus Spanien kaufen!» Ob er denn nicht mal eine Ausnahme machen würde? «Nein! Das gibts nur, wenn Saison ist.»
Eine ähnliche Strenge verlangen die Schüler auch von ihrer Mensa. «Nach den massenhaften Klimastreiks mussten wir reagieren», sagt Andreas Graf, Mensa-Betriebsleiter im Gymnasium Neufeld. Nun bietet er vegane Mandelmilch und waschbare Take-away-Boxen an. Und hat die Schulküche auf Nachhaltigkeit umgerüstet.
«Nun kommen alle Lebensmittel von Produzenten aus der Region», sagt Graf stolz. Auch Saisonalität ist dem Küchenchef wichtig: «Im Frühling bieten wir Spargeln aus Bern.» Das sei zwar etwas teurer, aber die Rechnung gehe auf, wenn man statt Fleisch auch mal Risotto anbiete. «Es essen sowieso immer mehr Schüler vegetarisch!»
Deswegen steht zweimal im Monat ein «Veggietag» auf dem Speiseplan. Dann wird sogar auf das obligate Schnipo verzichtet.
Rückkehr der Thon-Sandwiches?
Noch nicht verdaut haben die Schüler allerdings, dass Mensa-Chef Graf die Thon-Sandwiches aus dem Angebot genommen hat – wegen der Überfischung. «Die Schüler fragen nach Thon. Vielleicht führen wir ihn wieder ein», sagt Graf.
Solche Widersprüche zeigen sich auch in der Diskussion mit den Schülern von Dieter Münstermann. Liv Heinemann (16) isst vegetarisch – wünscht sich aber Fleischersatz anstelle des Poulets. Und zwar einen, «der auch nach Poulet schmeckt». Ihrer Mitschülerin Meret Feller stösst das unangenehm auf: «Das ist dann aber auch nicht mehr natürlich!»
Auch zuckerfreie Glace und Schokolade stehen auf der Wunschliste der Schüler. «Aber es soll trotzdem süss sein», betont Jana Rohrer (17), «das geht auch ohne Süssungsmittel, wenn man Fruchtzucker oder Agavendicksaft verwendet.»
Die Schüler zeigen sich durchwegs verantwortungsbewusst. Eine von denen, die auf die Anfangsfrage: «Wer isst bewusst nachhaltig?», nicht die Hand gehoben haben, war Sofia Achoukhi (17) – mit einem Smiley auf dem Namensschild. «Ich esse, wonach ich Lust habe», sagt sie zaghaft. Danach aber umso deutlicher: «Ich bewundere alle, die sich kontrollieren können.»
Als am Schluss der Stunde vegane Schöggeli verteilt werden, ist von Kontrolle keine Rede mehr. Die Schöggeli sind ratzfatz verzehrt.