Silvan in Worb auf Zebrastreifen totgerast
War es ein Ex-Politiker?

Léon J. (70) hatte 1,9 Promille intus. Er soll den zehnjährigen Silvan totgefahren haben.
Publiziert: 29.11.2011 um 23:55 Uhr
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Aktualisiert: 15.10.2018 um 05:43 Uhr
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Von Ralph Donghi, Patrik Berger und Gita Topiwala

Ein renovierter Genossenschaftsblock in Bern. Weiss gestrichen, blaue Fensterläden. Daneben rauscht der Zug vorbei. Hier wohnt Léon J.* (70) in einer Mansarde oberhalb der Wohnung seiner Mutter. Der Ex-Politiker soll Silvan N.* (†10) am frühen Abend des 2. November in Worb BE auf dem Zebrastreifen totgefahren haben (BLICK berichtete).

Vor dem Unfall soll der Rentner bei seiner Freundin gewesen sein. Getrunken haben. Es kommt zum heftigen Streit, er fährt weg.

Auf der Strasse, so der Vorwurf der Ermittler, drängelt er, fährt den anderen zu nahe auf. Als das Auto vor ihm an einem Fussgängerstreifen für den Buben hält, überholt er mit seiner silbernen Limousine – und kracht frontal in Silvan.

Der Fünftklässler fliegt zehn Meter weit, bleibt schwer verletzt auf der anderen Strassenseite liegen. Der Unfallfahrer kümmert sich nicht um das sterbende Kind, fährt einfach weiter.

Silvan stirbt noch am selben Abend im Spital.

Er streitet alles ab

Zwei Stunden nach dem Unfall hält die Polizei Léon J. in Enggistein BE an. Den Beamten fällt auf, dass seine Limousine «erheblich beschädigt» ist. Léon J. muss ins Spital Münsingen zum Alkoholtest. Er hat 1,9 Promille im Blut. Dann muss er nochmals zurück zur Unfallstelle. Jetzt sitzt er in Bern in Untersuchungshaft. Er streitet immer noch alles ab.

BLICK weiss: Es ist nicht das erste Mal, dass Léon J. im Knast sitzt. Er hat eine belastete Vergangenheit.

Am 14. März 1997 wird Léon J. Präsident der Arbeitnehmer- und Rentnerpartei (ARP) in Bern, obwohl er erst seit drei Wochen Mitglied ist. Seinen Parteikollegen erzählt er, er sei in der Fremdenlegion gewesen.

Er ist vorbestraft

In Wahrheit ist der Mann ein Betrüger. Vier Tage nach seiner Nomination zum Parteipräsidenten verurteilt ihn das Obergericht zu 2 ½ Monaten Gefängnis. Es bescheinigt ihm eine «mindestens mittlere Verminderung der Zurechnungsfähigkeit».

Zwei Beispiele seiner Vergehen: 1995 bestellt Léon J. bei einer Firma im Tessin einen Satelliten-Empfänger für 800 Franken. Er sagt, er sei Elektroingenieur. Bezahlt hat er nie.

Ende Februar 1996 gibt sich J. in einer Aargauer Garage als Jurist aus. Er will mit einem Occasions-Pontiac eine Probefahrt machen. Mit dem Auto fährt er auf und davon, der Garagist sieht ihn nie wieder.

Nach seiner Verurteilung durch das Obergericht taucht Léon J. ab. Seine Parteikollegen hören nichts mehr von ihm. «Er war schon immer ein Aufschneider», sagt der aktuelle Parteipräsident Marcel Eyer. «Er konnte zwar die Leute überzeugen, es steckte aber nichts dahinter.»

Aus der Partei ausgeschlossen

Es dauert ein Jahr, bis ihn die ARP aus der Partei ausschliesst. Im Februar 1998 hat ihn die Polizei endlich gefasst, Léon J. muss seine Strafe absitzen.

Eyer hört nichts mehr von seinem einstigen Parteikollegen, von seiner Fahrerflucht am 2. November in Worb weiss er nichts. Ihm ist der Alkoholkonsum von Léon J. aber schon damals aufgefallen: «Er hat öfters zu viel getrunken.»

Der zehnjährige Silvan hatte noch sein ganzes Leben vor sich. In einem Brief, der an der Beerdigung des Fünftklässlers vorgelesen wurde, schreiben seine Eltern in grosser Trauer: «Silvan war ein fröhliches Kind, so aufgestellt und doch so einfühlsam.»

* Name der Redaktion bekannt

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