Es ist still geworden um die Amazonas-Katastrophe, doch die Zerstörung des Regenwalds schreitet voran. Eine Idee, wie man ihn retten könnte, hat der Berner Jonas Perrin (33). Der ist nicht etwa Umweltwissenschaftler – sondern Jurist. SonntagsBlick trifft Perrin im Botanischen Garten in Bern, eine idyllische Oase mitten in der Stadt. Ein Kontrast zum Amazonasgebiet, wo Landwirte munter zündeln und roden, um Ackerfläche zu gewinnen.
Der Raubbau am Regenwald wirft die Frage auf: Wem gehört er eigentlich?
Jonas Perrin: Aus der Sicht des Völkerrechts unterliegt der Regenwald, wie sämtliches Gebiet innerhalb der Staatsgrenzen, der Souveränität der jeweiligen Staaten. Der Staat kann zum Beispiel enteignen, roden oder Staudämme bauen. Der Gegenpart ist das Privateigentum. Da kann ein Einzelner innerhalb der gesetzlichen Vorgaben über ein Gebiet verfügen. Das ist das vorherrschende Konzept seit der Conquista.
Sie sind damit nicht einverstanden.
Schon die Frage, wem der Wald gehört, ist eine sehr westliche. Im Amazonas gibt es die indigenen Völker, die schon lange vor der Eroberung und Erschliessung Südamerikas da waren. Sie verstehen sich eher als Teil des Waldes. Man sollte ihnen die Verwaltung zurückgeben.
Und so einfach retten wir den Regenwald?
Die Indigenen sind zumindest die Einzigen, die es geschafft haben, mit der Natur so umzugehen, dass sie bestehen bleibt. Natürlich gibt es verschiedene Völker mit verschiedenen Ansichten – aber im Umgang mit der Natur sind sie voraus.
Wie funktioniert Ihre Idee praktisch?
Das Selbstbestimmungsrecht indigener Völker ernst zu nehmen, wäre schon mal gut. Vor der Conquista hatte jedes Volk sein Territorium. Diese uralten Landrechte gelten auch heute noch – oder besser: wieder. Staaten sind auch vom Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte (IAGMR) eigentlich verpflichtet, zu prüfen, wer ein Gebiet traditionell beansprucht und dieses kollektive Eigentum zu respektieren.
Was ist bislang das Problem?
Wenn beispielsweise Brasilien einem Unternehmen die Genehmigung erteilt, eine Fläche innerhalb indigener Gebiete zu nutzen, müsste der Staat eigentlich erst die Indigenen konsultieren. Wenn er das nicht macht, verletzt er deren kollektives Eigentumsrecht.
Aber dann können die Indigenen doch klagen.
Ja, aber eben nur vor dem Menschengerichtshof. Da hapert es dann oft an der Umsetzung von Urteilen, weil dafür der Staat verantwortlich ist – dem sind Indigene rechtlich untergeordnet. Zudem sind Menschenrechte in aller Regel einschränkbar.
Wie werden Indigene mächtiger?
Dafür müsste man die Völkerrechtsordnung reformieren. Ein indigenes Volk kann nämlich nicht vor den Internationalen Gerichtshof ziehen, wo viele Grenzstreitigkeitsfälle ausgefochten werden. Bislang steht dies ausschliesslich den Staaten zu. Dabei wäre es eine sehr gute Idee, wenn Indigene dort auf Augenhöhe mit einem Staat gestellt würden.
Wollen und könnten sie das denn?
Indigene ziehen zunehmend vor die Gerichtshöfe, um zu ihren Rechten zu gelangen. Je besser sie rechtlich informiert sind, desto eher machen sie das.
Den Berner Juristen Jonas Perrin (33) beeindruckte ein Satz, den er von einem Mitglied des Shuar-Volks in Ecuador hörte: «Meine Vorfahren kämpften mit Lanzen, ich mit Worten.» Da hatten sich die Shuar gerade erfolgreich gegen die Vergabe von Erdölkonzessionen in ihrem Gebiet gewehrt. Perrin doktoriert an der Uni Luzern zum Thema «Indigene Landrechte im regionalen Völkerrecht Lateinamerikas».
Den Berner Juristen Jonas Perrin (33) beeindruckte ein Satz, den er von einem Mitglied des Shuar-Volks in Ecuador hörte: «Meine Vorfahren kämpften mit Lanzen, ich mit Worten.» Da hatten sich die Shuar gerade erfolgreich gegen die Vergabe von Erdölkonzessionen in ihrem Gebiet gewehrt. Perrin doktoriert an der Uni Luzern zum Thema «Indigene Landrechte im regionalen Völkerrecht Lateinamerikas».