Richter liess Kinderschänder nach Hause - dort missbrauchte er seine Töchter

Markus M. (51): Jahrelang hat er sich an seiner Tochter Sabrina (heute 27) vergangen. Als sie den Mut hat, ihn anzuzeigen, ist das meiste verjährt. Aber auch gegen das milde Urteil legt er Rekurs ein. Trotz Warnungen der Psychiater kommt er auf freien Fuss.
Publiziert: 27.04.2009 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2018 um 18:53 Uhr
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Von Hannes Heldstab

Ich hatte die Kraft nicht, die Polizei schon früher einzuschalten», sagt Sabrina Marti. Und denkt an ihre Kindheit mit ihrem Vater Markus M.* Oralsex, Sex mit Urin, Vergewaltigung: Das waren nur die extremsten Torturen, die sie bis ins Alter von 12 Jahren über sich ergehen lassen musste.

13 Jahre brauchte sie, bis sie die Kraft fand, ihren Peiniger im Oktober 2007 anzuzeigen. Bei seiner Verhaftung im Februar 2008 fand die Polizei noch 148 kinderpornografische Fotos, die er damals von Sabrina und ihrer jüngeren Schwester gemacht hatte.

Ende Januar 2009 verurteilte ihn das Kreisgericht Signau-Trachselwald im Emmental zu 14 Monaten Gefängnis. Zudem ordnete es ambulante Massnahmen während und nach dem Strafvollzug an. Denn: «Die Gefahr erneuter Straftaten ist als erhöht zu betrachten. Am ehesten sind weitere sexuelle Übergriffe gegen die eigenen Kinder zu erwarten», heisst es im Bericht des Forensisch-Psychiatrischen Dienstes (FPD) der Uni Bern.

Der verurteilte Kinderschänder wollte den Richterspruch nicht akzeptieren, rief das Obergericht an – und der Richter liess ihn auf freien Fuss. Er durfte nach Hause in seine Wohnung, zu seiner langjährigen Freundin Theres F.* (46), heim zu den vier Kindern, die er mit ihr hat.

Doch dann begann Theres F. zu reden. Und das Schreckliche kam raus: Er hatte sich bereits während Monaten an seinen Töchtern J. (heute 10) und M. (bald 8) vergangen, als er vom FPD im Juli 2008 befragt worden war.

Und auch nach seiner Verurteilung Ende Januar 2009, als sein Rekurs ans Obergericht lief, kannte er kein Innehalten: Er hatte auch die beiden Kleinen nackt fotografiert. Wie damals Sabrina und ihre Schwester.

Seit dem 10. März sitzt er nun im Psychiatriezentrum in Münsingen BE in Gewahrsam. Grausam hat sich die Befürchtung der Gutachter bestätigt. Auch Sabrina hat «nie verstanden, weshalb man einen Perversen nach dem Prozess zu seinen vier kleinen Kindern heimgehen liess. Ich hab immer gesagt, dass der Mann gefährlich ist.»

Bei seiner glimpflichen Strafe vom Januar profitierte der Widerling von der Tatsache, dass das Gericht nur die letzten acht Monate seines Treibens im Jahr 1994 beurteilen durfte. Den Grossteil der Taten gegen Sabrina verübte er aber davor; sie gelten deshalb als verjährt.

Denn, so Sabrina Marti: «Leider ist der neue Verfassungsartikel noch nicht in Kraft, der aufgrund der Volksabstimmung zur Initiative der Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten im November 2008 angenommen worden ist. Sonst wäre mein Vater bestimmt härter angefasst worden.»

Weshalb aber hat sie nicht schon viel früher die Polizei eingeschaltet? «Ich hatte tiefe Scham- und Schuldgefühle. Und immer glaubte ich, ich hätte mir alles selber eingebrockt. Derart bedroht und total eingeschüchtert war ich.»

Ihr Vater hatte ihr gedroht, falls sie etwas verrate, werde ihrer Mutter und Schwester etwas passieren. «Ich wusste, dass er eine Pistole hatte.»

Auch Theres F. (46) hatte sich lange nicht getraut zu berichten, was sie schon länger wusste: «Aber ich hatte meinem Partner Markus versprechen müssen, nichts Schlimmes über ihn auszusagen.

Er hat mich vehement bedroht und auch geprügelt.»
So gab sie denn auch bloss zu Protokoll, dass der Vater ihrer Kinder, mit dem sie fast elf Jahre zusammenlebte, Unterwäsche der Kleinen sammelte, wegen des «guten Geruches». Von sexuellen Übergriffen «wisse sie aber nichts».

Jetzt gestand sie BLICK: «Ich hätte unbedingt sagen sollen, dass ich wusste, dass er auch von meinen Töchtern mit Kamera und Handy pornografische Fotos machte.»

Das getraute sie sich erst, als ihr perverser Freund nicht mehr bei ihr wohnte und «man uns versichert hat, er könne jetzt nicht zurückkommen, um sich zu rächen».

Sie verspricht: «Ich werde mich bei Sabrina dafür bedanken, dass sie den Mut hatte, den Mann anzuzeigen. Sie hatte ja so recht.»

Und Sabrina Marti, die geholfen hat, den Vater aus dem Verkehr zu ziehen? «Diesmal kommt er bestimmt nicht mehr wegen Verjährung glimpflicher davon.»

* Name der Redaktion bekannt

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