Polizei sagt, Enzo T. hat am Steuer telefoniert
Einmal am Ohr kratzen = 550 Fr Busse

Enzo T. hat am Steuer telefoniert, sagt die Polizei. «Ich habe mich nur gekratzt», sagt dieser. Er kann es beweisen.
Publiziert: 16.03.2014 um 18:16 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 01:58 Uhr
Enzo T. ist verdattert: Für ein Jucken am Kopf hat die Polizei kein Verständnis.
Foto: Peter Gerber
Von Leo Ferraro (Text) und Peter Gerber (Foto)

Enzo T.* (60) sah das Polizeiauto von weitem. Der Automechaniker aus Wilderswil BE dachte sich nichts dabei, als er am 25. September 2013 mit seinem Fiat Bravo auf dem Weg zur Arbeit kurz nach 7 Uhr die Patrouille passierte. Schliesslich war er korrekt unterwegs.

Doch die beiden Polizisten folgten T. – und stoppten ihn zwei Kilometer später. Der Vorwurf: Er habe am Steuer telefoniert. «Das stimmt aber nicht», sagt T. «Ich habe mich auf der Höhe der Polizisten zufällig hinter dem Ohr gekratzt.»

Der jüngere der beiden Polizisten kontrollierte Enzos Handy – und fand tatsächlich keinen  Anruf zur besagten Zeit in der Liste. «Aber der andere blieb stur und behauptete, ich hätte telefoniert. Dabei habe ich sogar eine Freisprechanlage im Auto», sagt der Automechaniker.

Knapp drei Wochen später kam der Strafbefehl. 300 Franken Busse plus 150 Franken Gebühren – wegen Telefonierens ohne Freisprechanlage!

«Das geht doch nicht! Ich frage mich wirklich, ob wir in einem Rechtsstaat leben!», ärgerte sich T. Und zeigt einen Auszug des Telefonanbieters, der zweifelsfrei belegt: In der fraglichen Zeit gab es auf seinem Handy weder eingehende noch ausgehende Anrufe.

Diesen Auszug legte er einer Einsprache gegen den Strafbefehl bei. «Ich glaubte, das würde reichen um meine Unschuld zu beweisen.»

Weit gefehlt. T. musste vor den Richter antraben. «Dabei bin ich mein ganzes Leben lang noch nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen.» Einen Anwalt hat er sich nicht genommen – zu offensichtlich glaubte er sich im Recht.

Dann die grosse Überraschung: «Der Richter am Regionalgericht Oberland stellte mir mögliche Kosten von mehreren Tausend Franken in Aussicht – und riet mir, besser die Busse zu bezahlen», erzählt T. Der juristisch unerfahrene Mann erschrak ob der Summe – und unterschrieb schliesslich den Rückzug seiner Einsprache. «Was sollte ich tun? Der Richter hat mich richtig eingeschüchtert», erinnert er sich.

Inzwischen ist die Busse für das Telefonat, das er nie geführt hat, um 100 auf 550 Franken angewachsen. Diese zusätzlichen Kosten hat die zurückgezogene Einsprache verursacht. Mit Wut im Bauch und der Faust im Sack bezahlt T. die 550 Franken. Das Vertrauen in den Rechtsstaat hat er verloren. «Es kann doch nicht sein, dass der Richter grundsätzlich den Polizisten glaubt, obwohl ich meine Unschuld beweisen konnte.»

*Name der Redaktion bekannt

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