Y.K.* (48) aus Biel BE erlebt vor einem Jahr den Horror jedes Autofahrers: Der Schweizer, der ursprünglich aus dem Kosovo kommt, überfährt am 8. Mai 2016 Jana R.* (†22) auf der Autobahn. Sie war auf dem Heimweg von einer Technoparty. Um 5.10 Uhr morgens stirbt sie auf der A6 bei Kappelen BE (BLICK berichtete).
Der Autofahrer wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Weil er den Strafbefehl nicht akzeptierte, stand er heute Morgen vor dem Regionalgericht in Biel BE.
Dort kam aus: Jana R. war gar nicht als Fussgängerin auf der A6 unterwegs. Sie lag mitten auf der Fahrbahn, weil sie sich umbringen wollte. Als sie überfahren wird, teilt sie das gerade ihrem Freund am Telefon mit. Jana S. hatte 1,6 Promille Alkohol im Blut. An der Techno-Party in der Kulturfabrik Kufa in Lyss BE hatte sie zudem auch Cannabis konsumiert.
«Ich fühle mich wie ein Opfer»
Der tragische Unfall hat auch das Leben von Y.K. zerstört. «Ich fühle mich wie ein Opfer», sagt er am Prozess. Der vierfache Familienvater arbeitete seit 1991 als Lastwagenfahrer. Er hat keine Vorstrafen, das Billett wurde ihm nie entzogen.
Als er die Umstände des Unfalls beschreibt, wird den Zuschauern der ganze Horror bewusst. «Ich befand mich von Bern auf dem Heimweg», sagt er. «Ich kenne die Strecke gut. Ich fuhr ganz ruhig, mit 100 km pro Stunde oder etwas weniger.» Erlaubt sind am Unfallort 120 km pro Stunde.
Er fährt mit Abblendlicht, es ist noch etwas dunkel, das Wetter ist gut. «Plötzlich sah ich etwas mitten auf der Autobahn liegen. Ich dachte, es sei ein Autoteil oder eventuell ein Tier.» Er reagiert: «Ich versuchte, dem Gegenstand nach rechts auszuweichen und gleichzeitig zu bremsen.»
Doch es reicht nicht. Er überfährt Jana R. Er stoppt sofort, ruft die Polizei an. «Ich realisierte erst, dass es ein Mensch ist, als ein Fussgänger über die Abschrankung sprang und schrie: ‹Sie war meine Liebe!›». Es ist der Freund von Jana, er suchte sie mit dem Velo.
«Ich habe Schuldgefühle»
Seit dem Horror-Unfall ist der Unfallfahrer krankgeschrieben. «Ich habe Schuldgefühle. Es ist schwierig für mich, dass es ein Mensch war.» Er geht einmal wöchentlich in die Therapie.
Die Richterin fragt: «Hat es Ihnen nicht geholfen, zu wissen, dass sich dieser Mensch umbringen wollte?» Er antwortet: «Absolut nicht.»
Das Urteil ist trotzdem knallhart. Die Richterin verurteilt ihn wegen fahrlässiger Tötung zu einer bedingten Geldstrafe von 1050 Franken, plus einer Busse von 200 Franken. Auch die Verfahrenskosten von über 8000 Franken muss er bezahlen.
«Die Geschwindigkeit muss den Sichtverhältnissen angepasst werden. Sie konnten nicht auf Sichtweite anhalten», sagt die Richterin. «Mit Abblendlicht wären 60 bis 70 Kilometer pro Stunde erlaubt gewesen.»
Der Unfallfahrer ist am Boden zerstört: «Ich machte alles, was ich konnte. Das Urteil ist nicht menschlich.» Seine Verteidigerin will das Urteil weiterziehen.
*Namen der Redaktion bekannt