Kuschelknast Witzwil
Wegschauen bei Drogen, Handy, Internet

Freier Internetzugang, Drogen am Steuer und Knatsch unter dem Personal: Der Kuschelknast Witzwil kommt nicht zur Ruhe.
Publiziert: 20.09.2009 um 15:06 Uhr
|
Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:38 Uhr
Von Romina Lenzlinger

In der Strafanstalt Witzwil ist die Hölle los», schreibt Häftling Max Fromm* vergangene Woche dem SonntagsBlick. Fromm, der im Berner Vollzug sitzt, zählt gleich eine ganze Liste von gravierenden Missständen auf: Der Knastalltag erinnere ihn an ein «Klassenlager».
Jeder Gefangene – darunter sogar Schwerverbrecher – könne in Witzwil ungehindert sein Handy oder einen Laptop mit Internetzugang benutzen.

Auch was den Drogenkonsum anbelange, sei die Anstalt Witzwil einsame Spitze: Ob Haschisch, Kokain oder Heroin, der Handel floriere. Laut Fromm konsumieren über zwei Drittel der 189 Insassen Drogen. Seine Kollegen schmuggelten die illegale Ware während ihres Urlaubs aufs Gelände oder liessen sie sich von Drittpersonen in die Anstalt bringen. Die Aufseher wüssten davon. Aber duldeten es. Doch Max Fromm beschreibt noch schlimmere Auswüchse: Die Gefangenenarbeit auf dem 825 Hektar grossen Anstaltsgelände sei lebensgefährlich: «Viele fahren hier vollgepumpt mit Drogen auf Landwirtschaftsmaschinen herum.» Auch dürften Häftlinge ohne Führerschein ans Steuer. «Es ist eine Frage der Zeit, bis ein schlimmer Unfall passiert – und jemand einen Wärter oder einen Häftling totfährt», klagt Fromm.

Die Zustände in Witzwil seien sogar vielen Wärtern zu bunt geworden. Über ein Dutzend von ihnen habe in den vergangenen Monaten gekündigt oder sich versetzen lassen.

In seiner Not habe der Gefängnisdirektor private Securitas-Leute eingestellt. Fromm: «Das ist wie in einem schlechten Krimi – diese Männer sind nicht ausgebildet und es fehlt ihnen an Erfahrung mit den Gefangenen.» Seine Kritik habe er bei der Anstaltsleitung persönlich deponiert. Doch niemand habe ihn ernst genommen.

SVP-Nationalrätin Rickli ist ungehalten

Direktor Hans-Rudolf Schwarz wiegelt die Vorwürfe ab. «Wir wissen, dass wir noch Baustellen haben. Dazu gehört auch das Drogenproblem. Aber wir kriegen das in den Griff.» Die totale Sicherheit gebe es im offenen Strafvollzug halt nicht. Die Personalabgänge sind für ihn nichts weiter als «gewöhnliche Fluktuation». Und von den privaten Sicherheitsleuten werde er sich auch bald wieder trennen.

SVP-Kantonsrat Andreas Blank hält das für Ausflüchte. Der Berner prangerte in der Vergangenheit wiederholt die Missstände in Witzwil an. «Was ich jetzt höre, ist aber gravierender, als ich gedacht habe. Die Vorwürfe müssen umgehend untersucht werden», sagt Blank. Noch diese Woche will er einen Vorstoss einreichen.

Noch ungehaltener ist die Zürcher SVP-Nationalrätin Natalie Rickli, die sich für einen scharfen Strafvollzug stark macht: «Sollten die Vorwürfe stimmen, hätte mich Herr Schwarz angelogen», sagt die Politikerin. Der Gefängnisdirektor habe ihr bei einem Besuch der Anstalt versichert, der Internetzugang sei nur unter Aufsicht möglich. Sie rate ihren Bernern Kollegen nun, eine PUK zu beantragen.

Doch nicht nur beim Treffen mit Rickli war Schwarz peinlich bemüht, den Saubermann zu spielen: Als kürzlich ein SF-Kamerateam in der Anstalt filmte, postierte er einen Wachmann vor dem Haupttor, um mehr Sicherheit zu vermitteln. Häftling Fromm: «Kaum waren die Journalisten weg, zog der Direktor den Mann wieder ab.»

* Name von der Redaktion geändert

Mörder, Dealer, Pädophile
In der Strafanstalt Witzwil in Gampelen BE sind zurzeit 189 Häftlinge untergebracht, darunter Mörder, Pädophile, Schmuggler, Betrüger und Dealer. 30 Personen sitzen in Ausschaffungshaft. Die Anstalt Witzwil ist mit insgesamt 825 Hektaren der grösste Landwirtschaftsbetrieb der Schweiz. Er erzielt einen Jahresumsatz von 20 Millionen Franken.
In der Strafanstalt Witzwil in Gampelen BE sind zurzeit 189 Häftlinge untergebracht, darunter Mörder, Pädophile, Schmuggler, Betrüger und Dealer. 30 Personen sitzen in Ausschaffungshaft. Die Anstalt Witzwil ist mit insgesamt 825 Hektaren der grösste Landwirtschaftsbetrieb der Schweiz. Er erzielt einen Jahresumsatz von 20 Millionen Franken.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?