Kanton Bern macht Ex-Angestellter das Leben schwer
Kein Job wegen «verheerendem» Arbeits-Zeugnis

Der Kanton Bern stellt seiner treuen Mitarbeiterin Brigitte De Piano (53) ein lausiges Zeugnis aus. Die Folge: Sie kriegt keinen Job mehr.
Publiziert: 12.11.2014 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 19:54 Uhr
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Brigitte De Piano: «Ich will doch nur eines: Endlich wieder arbeiten!»
Foto: Peter Gerber
Von Sabine Klapper

Brigitte De Piano aus Köniz BE, ehemalige Sachbearbeiterin beim Betreibungsamt Bern-Mittelland, sucht seit über zwei Jahren einen Job. Mittlerweile ist die Mutter von zwei Kindern ausgesteuert.

300 sorgfältig verfasste Bewerbungen hat sie verschickt. Ohne Erfolg. Denn ihr Dossier hat einen Makel.

Das Arbeitszeugnis, ausgestellt vom Betreibungsamt des Kantons Bern, wo sie von 2006 bis 2012 angestellt war, «ist verheerend», so das Urteil einer Personalfachfrau.

Der Schwerpunkt ihrer Beurteilung bezieht sich auf die Zeit nach dem 1. Januar 2010, als ihre Abteilung reorganisiert wurde. Ein Zwischenzeugnis von 2008 belegt aber, dass Brigitte De Piano eine Mitarbeiterin war, «die immer zu unserer vollsten Zufriedenheit arbeitete».

Diese Zeit wird im aktuellen Zeugnis mit nur einem Satz erwähnt. Doch sogar diese positive Beurteilung enthält hier einen abwertenden Unterton: Sie arbeitete «lediglich» im Bereich Lohnpfändungen.

Die folgende Arbeitsbeurteilung, nach der Reorganisation, ist in sachlichem Beamtendeutsch verfasst –, aber im Grunde vernichtend.

Jurist: «Todesurteil auf dem Arbeitsmarkt»

Unter anderem heisst es: Ihre Einarbeitung sei «anspruchsvoll für alle Beteiligten gewesen», «Qualitäts- und Quantitätsansprüche gaben zum Teil Anlass zu Beanstandungen».

Solche Formulierungen seien «ein Todesurteil auf dem Arbeitsmarkt», urteilt ein Jurist. «Dabei will ich endlich wieder arbeiten!», sagt die 53-Jährige De Piano.

Sie hatte sich sogar 2012 nach der Auflösung ihres Arbeitsvertrages, obwohl sie gesundheitlich angeschlagen war, gewehrt und vier Änderungen  des Zeugnisses bewirkt.

Als es immer noch nicht zufriedenstellend ausfiel, sagte man ihr bei der Personalabteilung des Kantons, bei jeder weiteren Änderung müsse sie vors Arbeitsgericht ziehen. Dazu hatte sie damals keine Energie mehr.

Jetzt aber geht es um ihre Existenz. Nach zwei Jahren erfolglosem und zermürbendem Bewerbungsmarathon nahm sie einen neuen Anlauf, forderte ein «wohlwollendes» Zeugnis von ihrem ehemaligen Arbeitgeber.

«Darauf hat sie Anspruch, das kann sie einklagen», sagt Thomas Geiser, Professor für Privat- und Handelsrecht an der Uni St. Gallen.

«Wohlwollende Zeugnisformulierungen sollen das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht erschweren», kommunizieren die Rechtsanwälte Bürgi Nägeli aus Zürich auf ihrer Website.

«Zwar haben Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Anspruch auf ein vorbehaltloses positives Zeugnis. Jedoch muss dieses besser werden, je länger ein Arbeitsverhältnis gedauert hat. Wenn ein Arbeitsverhältnis länger als fünf Jahre gedauert hat, besteht ein Anspruch auf ein sehr gutes Arbeitszeugnis.»

Amt beruft sich auf Chefwechsel

Brigitte De Piano aber, die sechs Jahre beim Kanton Bern angestellt war, wurde abgewiesen. Roger Schober, Vorsteher des Betreibungs- und Konkursamts Bern-Mittelland, bot ihr lediglich eine Arbeitsbestätigung an.

Schober beruft sich darauf, dass er damals nicht verantwortlich war, und dass «ich Frau De Piano nicht kenne». Ausserdem seien die ehemaligen Vorgesetzten von Frau De Piano auch nicht mehr im Amt.

Diese Chefwechsel seien «gegenstandslos», sagt Arbeitsrechtler Geiser, «denn Chefs kommen und gehen. Änderungen von Zeugnissen können innerhalb von bis zu zehn Jahren eingefordert werden.»

Doch Amtsvorsteher Roger Schober weigert sich. Für ihn sei der Wunsch nach Änderung des Zeugnisses zwei Jahre nach Austellung nicht nachvollziehbar.

Eine Neuformulierung sei mehr als fragwürdig. Er beruft sich ausserdem auf eine Vereinbarung mit De Piano nach ihrem Austritt.

Brigitte De Piano ist verzweifelt. Ihr bleibt jetzt nur noch der Gang zum Gericht. Doch dazu fehlen der Sozialhilfebezügerin die finanziellen Mittel.

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