Die Sonne scheint am Sonntag in Merligen BE bei 20 Grad. Gärtner Lukas R.* (†35) zieht es mit seinen Töchtern (5 und 7) auf den Thunersee. Mit dem Kanu wollen sie eine Runde drehen. Doch das Wetter schlägt nach 17 Uhr rasend schnell um. Der heftige Wind treibt die Wellen über den See. Das grüne Kanu kentert.
«Meine Frau hat das Boot gesehen. Die Mädchen trugen keine Schwimmwesten und machten einen nervösen Eindruck», berichtet Peter Mennig, bis vor kurzem Direktor des Hotels Beatus in Merligen. Die Sturmwarnung blinkt. «Es hatte Schaumkronen auf dem Wasser. Ich dachte: Komisch, dass jemand bei diesem Wetter auf den See fährt.»
Mennig verliert keine Zeit. Zusammen mit seinem Sohn Rafael (16) rennt er von seinem Haus zum Ufer hinunter. Mit dabei ist auch ein Hotelgast aus Basel. Sie nehmen Schwimmwesten aus einem Fischerboot, Mennigs Sohn springt als Erster ins Wasser. «Ich habe nicht überlegt, ob es gefährlich ist, ich wollte einfach nur helfen», sagt der Sekundarschüler. Er schwimmt bis zu den hilflosen Mädchen, die sich am gekenterten Kanu festklammern. «Den Vater haben wir gar nicht gesehen», sagt er.
Zuerst wollen die Helfer das ältere Mädchen bergen. Doch die sorgt sich um die jüngere Schwester. «Sie kann nicht schwimmen», sagt sie.
Schliesslich ziehen die Retter beide Mädchen aus dem zwölf Grad kalten See. Jetzt trifft auch die Seerettung ein. Die findet den Vater, versucht, ihn an Land wiederzubeleben. Mit Helikoptern werden die Verunfallten ins Spital geflogen.
Vater starb im Spital
Trotz der Rettungsmassnahmen überlebte der Vater nicht. Er starb in den frühen Morgenstunden im Spital. Die beiden Mädchen dürften wohl auch wegen des beherzten Eingreifens der Ersthelfer keine grösseren Verletzungen erlitten haben. Der Unfallhergang wird nun durch die Polizei unter Leitung der Regionalen Staatsanwaltschaft Oberland untersucht.
Die Familie der Verunglückten stammt aus dem Dorf, die Mädchen gehen in Merligen zur Schule und in den Kindergarten. «Als die Mutter die Ambulanz hört, machte sie sich Sorgen und kam an den See», erzählt Silva Mennig (53). «Es ist so tragisch, was passiert ist», sagt die Hoteliersfrau.
Laut Anwohnern herrschten am Sonntagabend auf dem Thunersee stürmische Verhältnisse. «Das war fahrlässig, bei diesem Wetter mit kleinen Kindern auf den See zu gehen», sagt eine Anwohnerin zu BLICK. Man habe die Gischtkronen des aufgewühlten Sees von überall her gesehen. «Auf dem ganzen See war zu diesem Zeitpunkt kein einziges anderes Schiff zu sehen. (mur/bih)
*Name der Redaktion bekannt