Der reformierte Pfarrer Urs Baumann ist erschüttert. «Noch am Montagmorgen habe ich mir Gedanken darüber gemacht, welche Worte ich dem Brautpaar mit auf den gemeinsamen Lebensweg geben möchte. Am Nachmittag kam dann die Hiobsbotschaft.»
Das Brautpaar ist im ewigen Eis des Mont Blanc umgekommen. Zwei Wochen vor der Hochzeit. Zusammen mit seinem Freund, Bergführer Toni K.* (32).
In der Nacht auf Sonntag brechen zwei riesige Eisklötze von der Nordwand des Mont Blanc du Tacul ab und lösen zwei Lawinen aus. 16 Bergsteiger werden in die Tiefe geriessen. Acht in den Tod. Darunter auch die drei Freunde aus Innertkirchen.
«Das Unglück bewegt mich sehr», sagt der Pfarrer. «Ich versuche jetzt, für die Hinterbliebenen da zu sein. Sie sind am Boden zerstört.»
Der grosse Schock komme erst später. «Das Schlimmste für die Angehörigen ist, dass man die Opfer nicht bergen kann.» Dem Geistlichen fehlen die Worte: «Das Ganze ist einfach unfassbar.»
Im Dorfladen stöhnt Susanne K. «Hört denn das nie auf?», fragt die Verkäuferin hinter der Theke leise. «Vor Monaten starb ein Familienvater an einem Herzinfarkt. Vor drei Monaten verunglückte während der Arbeit mein Bruder tödlich. Und jetzt auch noch das.»
Für die zwei Männer an der Bar im «Hof» steht fest: «Wir sind ein Unglücksdorf.» In den 70er-Jahren seien fünf einheimische Strahler tödlich verunglückt. «Am 21. August 1960 stürzte an den Engelhörnern mein Bruder ab – zusammen mit seinen beiden Bergfreunden. Solche Sachen vergisst man nicht», sagt einer. Und 1990 kam eine 7-köpfige Tourengruppe in einer Lawine um. Auf dem Weg zur Gaulihütte.
Dort war Toni K. zuletzt Hüttenwart. Wie sein Vater Hans. Der wurde 1994 von einem Schneebrett in den Tod gerissen.
Innertkirchens Gemeindepräsident Walter Brog (41) steht den Angehörigen bei. «Tonis Mutter hadert mit sich selbst. Wegen der vielen Schicksalsschläge.» Vor kurzem brannte auch noch das Elternhaus von Toni K. nieder.
Brog kannte auch den Bräutigam gut. Hanspeter F. war von der Bergwelt fasziniert. «Er fragte mich schon als Bub, ob ich ihn auf eine Skitour mitnehme.» Sowohl Sprengmeister Hanspeter als auch die in der Kinder- und Jugendarbeit engagierte Claudine waren begeisterte Skifahrer. Beide waren im lokalen Skiklub.
Wenn Innertkirchen von den dreien Abschied nimmt, wird die kleine Kirche bis auf den letzten Platz besetzt sein.
* Namen der Redaktion bekannt