Friedhofskultur
Bern betritt mit Friedhofsrestaurant «La Vie» Neuland

In zwei ehemaligen Urnenhallen auf dem Berner Bremgartenfriedhof entsteht das schweizweit erste Restaurant seiner Art auf einem Friedhof. Ein Ort, an dem sich Leben und Tod auf eine neue Weise begegnen können.
Publiziert: 09:57 Uhr
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Aktualisiert: vor 56 Minuten
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Sicht auf eine ehemalige Urnenwand, im Krematorium des Bremgartenfriedhofs in Bern. Im nächsten Jahr soll dort das Restaurant «La Vie» seinen Betrieb aufnehmen.
Foto: PETER SCHNEIDER
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Keystone-SDADie Schweizer Nachrichtenagentur

Würdevoll, erhaben und monumental: So wirkt das 1908 erbaute Krematorium auf dem Berner Bremgartenfriedhof. Das Ensemble umfasst auch die einige Jahre später angebauten Urnenhallen.

Doch Bestattungen in diesen feierlich-stillen, marmorausgeschlagenen Sälen mit ihren vielen kleinen Urnennischen werden heute kaum mehr nachgefragt, weiss Mirjam Veglio, Geschäftsführerin der bernischen Genossenschaft für Feuerbestattungen, die für das Kremationswesen zuständig ist.

Viel eher möchten die Menschen heute die Urnen ihrer Angehörigen mit nach Hause nehmen oder draussen, an einem stimmigen Ort, bestatten.

Gebäude als Café und nicht als Museum erhalten

Weil der Krematoriumskomplex mit seinen Urnenhallen denkmalgeschützt ist, muss er erhalten werden. Damit drängte sich irgendwann die Frage auf, was mit den kaum mehr nachgefragten Urnenhallen geschehen soll.

Die Genossenschaft habe die Hallen nicht einfach «fürs Museum» restaurieren wollen, sondern sich überlegt, wie man für den Friedhof einen Mehrwert schaffen und die Hallen sinnvoll nutzen könnte, sagte Veglio an einem Lokaltermin der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Erste Ideen für ein «Café» seien schon vor rund zwanzig Jahren aufgetaucht, doch habe es seine Zeit gebraucht, bis ein konkreteres Projekt daraus entstand.

In Luzern gibts ein kleines Friedshofscafé

2024 wurde der Umbau zum Restaurant schliesslich bewilligt. Widerstand aus moralischen oder ethischen Gründen gab es laut Veglio im Bewilligungsverfahren nicht. Im Zentrum standen vielmehr kleinteilige rechtliche Fragen zur Zone für öffentliche Nutzung, der das Krematoriumsgelände zugeordnet ist.

Das Berner Restaurant hat laut Veglio Pioniercharakter. In kleinerem, ehrenamtlichem Rahmen gibt es etwa in Luzern bereits ein Friedhofscafé. 

Unterdessen laufen in Bern die Umbauarbeiten in den beiden Urnenhallen III und IV. Für die wenigen verbliebenen Urnengräber habe man nach sorgsamer Absprache mit den Nachkommen gute Lösungen gefunden, erzählt Veglio.

Im «La Vie» sollen leisere Anlässe und Veranstaltungen möglich sein

Weil dies für manche Menschen ein Bedürfnis sei, würden die Hallen auch energetisch geklärt, so Veglio. Das Lokal will der Stille und Stimmung des Friedhofs Rechnung tragen. Es nennt sich «La Vie», was auf Französisch soviel wie «das Leben» heisst. Ein besonderer Ort der Begegnung, ebenso sensibel wie inspirierend.

Stattfinden kann im «La Vie» alles, was in die spezielle Umgebung passt, also etwa leisere kulturelle Aktivitäten wie Lesungen, Trauercafés oder Ähnliches. Um weiterhin über die Ausrichtung mitbestimmen zu können, wird die Genossenschaft das Restaurant nicht verpachten, sondern eine Geschäftsleitungsperson anstellen.

Der Innenausbau, von dem erst wenig zu sehen ist, soll Elemente der Belle Epoque aufnehmen, jener Zeit also, in der das Krematorium gebaut wurde. Bordeaux und grün werden die leitenden Farben im Inneren sein.

Menschen wollen nach Trauerfeier zusammensitzen

«Wir wollen etwas Schönes schaffen», betont Veglio. Etwas, das der Schwere eine gewisse Leichtigkeit in der Stimmung entgegensetzt. Durch ein lichtes, verglastes Entrée werden die Gäste ins Restaurant eintreten. Aus hohen Fenstern fällt Licht in den Raum. Ein zweiter, wintergartenähnlicher Raum soll vor allem für das Totenmahl, im Kanton Bern oft als «Grebt» bezeichnet, genutzt werden.

Für viele Menschen sei es ein Bedürfnis, nach einer Trauerfeier noch zusammenzusitzen, sei es informell bei einem Kaffee oder Glas Wein oder länger an einer klassischen «Grebt» mit Essen, weiss Veglio.

In der näheren Umgebung des Friedhofs gebe es kaum Lokalitäten, die der speziellen Stimmung einer Trauergemeinde den nötigen Rahmen verleihen könnten. «Die Menschen kommen mit einer Träne im Auge zu uns und gehen mit einem Lächeln wieder hinaus ins Leben», so würde es sich Veglio wünschen.

Offen für Quartierbevölkerung

Das «La Vie» will nicht nur ein Ort für Trauernde sein, sondern ganz bewusst ein Ort der Begegnung für alle Menschen. Von Flanierenden über Ruhesuchende bis hin zur Quartierbevölkerung soll das Lokal alle ansprechen, unabhängig von Kultur und Religion.

Eröffnet werden soll es voraussichtlich im kommenden Januar. Das Restaurant wird gemäss einer Vereinbarung mit der Stadt wochentags bis maximal 20 Uhr geöffnet sein. Das Angebot reicht von Kaffee mit Gipfeli über Mittagessen und Süsses bis zum Apero.

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