Entscheid im Grossen Rat
Sprachkenntnisse bei Sozialhilfe im Kanton Bern künftig Pflicht

Im Kanton Bern müssen Sozialhilfebezüger künftig eine der Amtssprachen Deutsch oder Französisch beherrschen oder erlernen. Der Grosse Rat beschloss dies am Mittwoch im Rahmen des neuen Sozialhilfegesetzes mit deutlicher Mehrheit.
Publiziert: 03.09.2025 um 16:56 Uhr
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Aktualisiert: 03.09.2025 um 18:57 Uhr
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Foto: CHRISTOF SCHUERPF
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Keystone-SDADie Schweizer Nachrichtenagentur

Wer im Kanton Bern Sozialhilfe bezieht, muss künftig eine der beiden Amtssprachen beherrschen oder erlernen. Das hat der bernische Grosse Rat am Mittwoch im Rahmen der Beratung des neuen Sozialhilfegesetzes beschlossen.

Eine Minderheit der grossrätlichen Gesundheits- und Sozialkommission (Gsok) lehnte die Pflicht zum Spracherwerb ab. Der Spracherwerb sei bereits im Ausländer- und Integrationsgesetz des Bundes festgeschrieben, sagte Sprecherin Seraina Patzen (Grüne). Er sei deshalb im Sozialhilfegesetz nicht nötig.

Zudem sei er ungerecht. «Er bemüht das Bild von Sozialhilfebeziehenden, die sich weigern, eine Landessprache zu erlernen. Das ist erfunden, das gibt es nicht.»

«Wenn man etwas gibt, darf man eine Gegenleistung erwarten»

Die Gsok-Mehrheit sah das anders. «Es ist unabdingbar, sich verständigen zu können», sagte Melanie Gasser (GLP). Auflagen zu einem Sprachkursbesuch seien bereits heute möglich. Es gehe zudem nicht nur um Pflichten, sondern auch um Rechte. «Nämlich das Recht, dass mich der Sozialdienst beim Spracherwerb fördert.»

Der Artikel sei auf Wunsch der Sozialdienste im Gesetz aufgenommen worden, sagte Michael Elsaesser namens der FDP-Fraktion. «Personen haben die Pflicht, sich zu integrieren. Das gehört deshalb ins Gesetz.»

«Wenn man etwas gibt, darf man auch Kooperation und eine Gegenleistung erwarten», sagte Mitte-Sprecher Hans Marti. Das sei beim Erlernen einer Amtssprache der Fall. «Der Spracherwerb ist ein extrem wichtiges Mittel, um sich zu integrieren.»

Das fand auch die EVP-Fraktion. Uneins war sie sich hingegen, ob der Spracherwerb ins Sozialhilfegesetz gehört. «Wir haben bereits diverse Gesetze, die das verlangen», sagte Simone Leuenberger.

«Latte nicht besonders hoch»

Christa Ammann (AL) vertrat den Standpunkt, dass ein falscher Ansatz diskutiert werde. «Die Motivation für den Spracherwerb steigt nicht unbedingt, wenn mir mit Streichung der Sozialhilfe gedroht wird», sagte sie im Namen ihrer Fraktion.

Auch die SP/Juso-Fraktion wollte nichts von einer Pflicht zum Erlernen einer Amtssprache wissen. «Sie ist eine von vielen Integrationsmassnahmen in der Sozialhilfe. Der Spracherwerb muss nicht extra festgeschrieben werden.» Es entstehe der Eindruck, dass alle Empfänger von Sozialhilfe Ausländer seien und die Sprache nicht könnten. «Das ist schlicht falsch.»

«Der Spracherwerb ist für jemanden, der sich integrieren möchte, etwas vom wichtigsten», stellte der Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (SVP) klar. Das Beherrschen einer Sprache könne Türen öffnen. Zudem werde die Latte nicht besonders hoch gelegt. Das Anfängerniveau A1 sollte für die meisten möglich sein. «Zudem kann etwas Druck auch etwas Positives auslösen.»

Die Ratsmitglieder nahmen die Pflicht, Deutsch oder Französisch zu erlernen, schliesslich deutlich mit 97 zu 49 Stimmen bei 4 Enthaltungen an.

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