Ein Berner entwickelte die wirksamste Methode im Kampf gegen Langfinger
Sheriff Müller sieht alles

Vorsicht, Diebe! Ladendetektiv Pavel Müller (29) passt in der Berner City auf. SonntagsBlick war dabei.
Publiziert: 26.08.2012 um 17:53 Uhr
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Aktualisiert: 08.09.2018 um 06:55 Uhr
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In 15 Geschäften der Berner Innenstadt müssen Ladendiebe mit Pavel Müller (l.) rechnen
Foto: Peter Gerber
Von Nadine Chaignat

Ein Käsesandwich für Fr. 4.50, ein Eistee für 90 Rappen und ein Deo für Fr. 4.45 liegen auf dem Tisch. Den Eistee hat Elma* (16) bezahlt. Deo und Sandwich schmuggelte sie in der Tasche an der Kasse vorbei. «Warum hast du das geklaut?», fragt Pavel Müller (29), Detektiv und Gründer von CitySpion. Er sitzt am Computer und tippt Elmas Daten ein. «Weil ich kein Geld hatte», antwortet Elma.

«Ich sehe im System, dass du vor einem Jahr schon mal gestohlen hast, ein Sandwich und Eier», sagt Müller. «Jetzt müssen wir dich anzeigen. Und weil du unter 18 bist, deine Eltern informieren und die Polizei rufen.»

Kleiner Diebstahl, grosse Folgen

Es ist Mittwochmittag im Bahnhof Bern. «Ein sehr typischer Fall», sagt Müller. «Sandwiches und Energydrinks sind beliebt – grad über die Mittagszeit im Bahnhof.»

Während er Elmas Mutter anruft, vergräbt sie ihr Gesicht in den Händen. Tränen kullern ihr durch die Finger. «Was soll ich machen?», schluchzt sie kurz darauf in den Hörer. «Mit zehn Franken pro Tag kaufe ich mir ein Pack Zigi, ein Gipfeli und was zu trinken. Es tut mir leid, Mami.»

Als die Polizei kommt, verlässt Pavel Müller das kleine Büro. Er ist unauffällig gekleidet, trägt Joggingschuhe. «Ich laufe pro Tag rund 30 Kilometer», sagt er. Der gelernte Polymechaniker arbeitet auf der Strasse. «Ich habe als Ladendetektiv angefangen und merkte: Immer wenn ich einen Dieb erwischte, ging der in einen anderen Laden und klaute weiter.»

Er erkennt Diebe schon auf der Strasse

Deshalb entwickelte Müller das Konzept CitySpion. Seine Firma überwacht fünfzehn Läden in der Berner Innenstadt. Lebensmittel- und Elektronikgeschäfte, Sport- und Kleiderläden, vor allem im Luxussegment, gehören zu seinen Kunden.

Die Diebe entdeckt er bereits auf der Strasse. «Man muss aufmerksam sein, das Verhalten lesen. Jedes Detail sehen, das auf einen Dieb hinweist. Der Mann dort drüben», er zeigt mit dem Kinn auf einen mageren Blonden, der unauffällig über die Passerelle schlendert. «So verhält sich kein normaler Mensch.»

Aus sicherer Entfernung beobachtet Müller, wie er ziellos umhergeht. «Er wartet vielleicht auf einen Kollegen.» Der Mann verschwindet in der Apotheke. Pavel Müller kniet sich vor das Schaufenster und beobachtet durch die Scheibe. «Jetzt hat er gerade Pflästerli eingesteckt.»

Als der Mann den Laden verlässt, blitzt aus seiner Hosentasche noch ein Stück Verpackung hervor. «Der Laden ist kein Kunde von uns. Ich folge ihm weiter. Vielleicht ist er in einer Gruppe unterwegs. Die sind häufig getrennt und treffen sich wieder. Manchmal ist es schlauer, man bleibt dran.»

Oft sind es ganze Banden

Mit dieser Technik hat Müller immer wieder Erfolg. Erst letzte Woche verhaftete die Polizei dank seiner Vorarbeit eine Bande von Kleiderdieben aus Polen. Zwei Paare hatten sich die Fischzüge aufgeteilt.

Das Team von CitySpion kam ihnen auf die Schliche, sah schliesslich, wie sie die Beute in einem Auto deponierten, und schaltete die Polizei ein.

Im Kofferraum fanden sich Kleider im Wert von mehr als 15'000 Franken. Müller: «Man hat Freude, wenn man eine grosse Diebesbande erwischt!»

Der Mann mit den Pflästerli scheint allein unterwegs zu sein. Er reisst die Verpackung auf, klebt ein Pflaster auf den Fuss. Dann steigt er in den Bus. «Ich lasse ihn laufen», sagt Müller. «Er kommt bestimmt wieder.»

Wirtschaftskrise verschafft Müller Arbeit

Es ist 32 Grad heiss. Der Nachmittag verläuft ruhig. Müller verfolgt mehrere Personen mit verdächtig leeren Taschen und bereits bekannte Ladendiebe.

Kurz vor 18 Uhr schnappen er und sein Mitarbeiter ein Trio von Verdächtigen. Einer von ihnen, ein ungarischer Tourist, hatte geschickt vier Kondompackungen in der Jackentasche verschwinden lassen. Warenwert: 20 Franken. Er kommt mit einer Busse von 100 Franken davon. Die Kondome kauft er anschliessend trotzdem: «Ich hatte sie eigentlich bezahlen wollen.»

Pro Monat deckt CitySpion mindestens 50 Diebstähle auf. «Wir sind mit Herzblut dabei», so Müller. «Wenn wir einen am Feierabend sehen, können wir den nicht einfach sein lassen. Sondern gehen ihm nach und nehmen ihn noch.»

Träumt der Berner «Batman» von einer Stadt ohne Diebe? «Da würde es mir langweilig», sagt Pavel Müller lachend. «Aber das wird es bestimmt nicht geben. Gerade mit der Wirtschaftskrise, da haben wir viel zu tun.»

*CitySpion Pavel Müller wurde auf den Bildern verpixelt. Damit er weiterhin erfolgreich Diebe schnappen kann.

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