Drama bei der IV Bern
Kaderarzt gefeuert – da gab er sich die Kugel

Petros K.* ist beruflich spitze, privat aber vorbestraft. Deshalb musste er sein Pult räumen. Jetzt ist er tot. IV-Chef Klaus F.* gerät wegen der Affäre unter Druck.
Publiziert: 04.07.2009 um 20:26 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 23:58 Uhr
Von Beat Kraushaar

Wir erwarten von den Vorgesetzten hohe fachliche und zwischenmenschliche Fähigkeiten», steht in den Grundsätzen der IV-Stelle Bern. Davon spürte der Neurochirurg Petros K. (†56) herzlich wenig. Bis vorletzte Woche war er als Gutachter für die Invalidenversicherung Bern (IVB) tätig. Am Mittwoch, 24. Juni, wurde er unvermittelt zum Chef ins Büro zitiert. Unumwunden teilte ihm der Direktor mit, dass er entlassen und per sofort freigestellt sei.

Petros K. verliess die IV-Stelle nach der Schocknachricht Hals über Kopf. Aktenkoffer und Brille liess er im Büro zurück. Kollegen machten sich auf die Suche nach ihm. Der bei der IV geschätzte und beliebte Arzt blieb unauffindbar. Stunden später meldete sich seine Frau. Ihr Mann, Offizier der Armee, habe sich in der Nähe von Zürich mit einer Pistole umgebracht.

Wie kam es zu dem Drama? Am Anfang stand eine Recherche-Anfrage der Zeitschrift «Beobachter». Diese hatte eine alte Geschichte über Petros K. ausgegraben, welche vor ein paar Jahren in diversen Medien erschien.

Damals hatte der Neurochirurg ein Laborblatt gefälscht, um einen Konkurrenten als HIV-Infizierten zu verleumden. Es ging um einen Chefposten, den Petros K. unbedingt wollte. Dafür wurde er zu drei Monaten Gefängnis bedingt verurteilt. Zudem war damals von einem Schuldenberg von zwei Millionen Franken die Rede. Der «Beobachter» wollte deshalb von der IV wissen, wie es möglich sei, einen Arzt mit einer solchen Vergangenheit als Gutachter zu beschäftigen.

Die Journalisten-Anfrage löste beim Direktor Panik aus. «Er sah bereits die Negativschlagzeilen. Deshalb hat er den ausgewiesenen IV-Gutachter über die Klinge springen lassen», sagt ein Insider.

Der IV-Chef sagt zu den Vorwürfen: «Wir waren nicht überzeugt, dass bei ihm die Eignung für die Tätigkeit bei der IV gegeben ist.» In der Folge sei das Probearbeitsverhältnis auf den 31. Juli 2009 gekündigt worden. «Zu den Gründen, welche im Einzelnen zum Entscheid geführt haben, äussern wir uns aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht.»

Was Klaus F. verschweigt: Er hätte das Drama am liebsten unter den Teppich gekehrt. Doch die Entlassung sorgte intern für Wut und Empörung. Vergangenen Mittwoch kam es zu einer Sitzung mit rund zwanzig IV-Ärzten. Dabei wurde der Direktor heftig kritisiert. Die Rede war von Existenzvernichtung und Kniefall vor der Presse. Es herrschte Konsternation darüber, dass der neue Direktor beim kleinsten Gegenwind seinen Angestellten fallen gelassen habe.

«Beobachter»-Chefredaktor And-res Büchi (52) sagt, man habe lediglich Fragen gestellt. Eine Publikation sei noch nicht beschlossen gewesen – und wenn, dann ohne Namensnennung.

Ob der Fall eine interne Untersuchung nach sich zieht, ist offen. Der Präsident des IV-Aufsichtsrats, SVP-Regierungsrat Christoph Neuhaus (42), weilt «unerreichbar in den Ferien», wie es am Freitag aus seinem Amt hiess.

So oder so: Für den IV-Chef ist die Affäre längst nicht ausgestanden. Der Sohn des Toten, von Beruf Jurist, hat der IV Bern bereits rechtliche Schritte angedroht.

Ob eine Klage Chancen hat, wird sich zeigen. Fakt ist: Bereits früher war Petros K. als Gutachter bei der Suva tätig. Als seine Verfehlungen ans Licht kamen, bestätigte ihm ein Bundesgerichtsentscheid, dass diese keinen Einfluss auf seine Expertentätigkeit haben (siehe Ausriss rechts).

Diesen Freitag wurde Petros K. im engsten Familienkreis zu Grabe getragen.

* Namen von der Redaktion geändert

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