Bern befindet sich in einer «Velo-Offensive». Im vergangenen Herbst blies der Gemeinderat zu dieser. Sie hat das Ziel, dass das Velo in der Stadt bis 2030 einen «Gesamtverkehrsanteil» von zwanzig Prozent aufweisen soll. Derzeit stagniere die Zahl bei 11%. Als Leuchtturm-Projekt für diese Offensive gilt die geplante Velo-Brücke weit über der Aare zwischen Länggasse und Breitenrain.
Dass die bürgerlichen Parteien gegenüber diesen Plänen der RGM-Regierung skeptisch sind, versteht sich von selbst. Meist propagieren sie bei solchen Themen, dass auch der motorisierte Verkehr gefördert gehöre.
Die Stadtberner FDP findet jedoch, dass bei der «Velo-Offensive» jemand anderes komplett vergessen wurde: der Berner Fussgänger.
«Nicht auf Kosten der Fussgänger»
Bernhard Eicher (32), Fraktionschef der Freisinnigen im Stadtrat, will deshalb zur «Fussgänger-Offensive» blasen lassen. Zwei Offensiven gegeneinander? Im Fussball verspräche dies ein Spektakel. Gut möglich, dass die Verkehrspolitik bald auch im Stadtrat zu einem Schlagabtausch führen wird.
Eicher hat zum Thema einen ersten Vorstoss eingereicht. «Die angekündigte Velo-Offensive soll nicht auf Kosten der Fussgänger stattfinden», so der Tenor.
«Stadt der kurzen Wege»
Genau wie der Gemeinderat argumentiert auch Eicher mit der Verkehrsstatistik der Stadt. Diese zeige nicht nur, dass 11% der Wege mit dem Rad zurückgelegt werden, sondern gleich 33% zu Fuss. Laut einer Broschüre sind die Fussgänger damit die Nummer eins in der Stadt – auch vor den Autofahrern oder den ÖV-Benutzern. «In dieser Stadt der kurzen Wege», wie Eicher schreibt.
Sein Ziel: Es soll gleich viel Geld für die Förderung von Fuss-, wie von Veloverkehr verwendet werden. Das politische «Offensiv»-Spektakel würde also mit einem Unentschieden enden. Eicher kündigt an, dass die FDP in den nächsten Wochen verschiedene konkrete Vorschläge zur Förderung des Fussverkehrs einreichen werde.
Normalerweise reagiert man im Fussball auf eine Offensive mit einem Defensiv-Konzept. Wie jenes des Gemeinderats und der RGM-Mehrheit im Stadtrat aussehen wird, bleibt abzuwarten. Ein Argument liegt jedoch bereits auf dem Tisch: Der Panorama-Steg über die Aare wird zwar immer wieder abgekürzt als «Velo-Brücke» bezeichnet. Allerdings soll die Passerelle dereinst auch für Fussgänger offen sein. Das Geld für den Bau der Brücke geht also an beide Gruppen: Fussgänger und Velofahrer.