Bundesrat Guy Parmelin (60) hatte Anfang April versprochen, allen Selbständigen zu helfen, die aufgrund der Corona-Situation durch die Maschen staatlicher Unterstützung gefallen wären. Die Idee dahinter: Die «Härtefall»-Gelder seien vor allem für all jene vorgesehen, die aufgrund der Situation keine Aufträge mehr haben. Der Staat werde durch die Erweiterung der Erwerbsersatzordnung 80 Prozent ihres Einkommens weiterzahlen – so das Versprechen.
Viele Kleingewerbler reichten das nötige Formular umgehend ein. Bei vielen liegt nun endlich der Entscheid vor, wie viel staatliche Hilfe sie erhalten werden – die Ernüchterung ist gross!
Das Porto war teurer, als der Bescheid hergibt
Tontechniker und Musiker Michael Stalder (37) aus Bettlach SO erhält ganze 1.60 Franken pro Tag von der Ausgleichskasse. Bei Sängerin und Stimmcoach Birgit Ellmerer (54) beträgt der Tagessatz 3.20 Franken, und bei Boutique-Besitzerin Colette Stämpfli (52) sind es immerhin 9.60 Franken.
«Das ist demütigend», sagt Ellmerer. «Da waren vermutlich die Bearbeitungskosten höher!» Auch Colette Stämpfli ist enttäuscht: «Ich habe eine saubere Buchhaltung und immer Mehrwertsteuern, Sozialbeiträge und meine eigenen Steuern bezahlt. Aber ja, so wenig bin ich also wert.»
Mit dieser einzigen für sie möglichen staatlichen Hilfe müssen sie nun auskommen – oder Konkurs anmelden und aufs Sozialamt gehen. Denn der Gang aufs RAV ist für Selbständige nicht möglich, sie sind der Arbeitslosenkasse nicht angeschlossen.
Selbständige hadern mit eigener Zahlungskultur
Alle drei Selbständigen haben unterschiedliche Gründe, wieso ihre Unterstützung so tief ausgefallen ist. Bei Michael Stalder sind die AHV-Akkontobeiträge von 2018 ausschlaggebend. «Ich bezahlte das Jahr über nur die Mindestbeiträge. Wenn die definitive Steuerabrechnung vorliegt und mein jährliches Nettoeinkommen von rund 40'000 Franken bekannt ist, werden die AHV-Beiträge nachträglich eingezahlt. Das ist ein ganz normales Vorgehen, das machen viele so.» Er hadert: «Hätte ich mein Einkommen proaktiv bekannt gegeben, würde nun mit diesem gerechnet – und ich bekäme monatlich rund 2000 Franken vom Staat.»
Bei Colette Stämpfli drückt der Schuh an einem anderen Ort. Die Bernerin betreibt seit 22 Jahren die Kleiderboutique Laubfrosch, eröffnete vor vier Jahren gar eine zweite Filiale. Doch sie bezahlte sich die letzten drei Jahre kaum Lohn: «Die anderen Kosten gingen vor!» Deshalb ist ihr AHV-pflichtiges Einkommen tiefer als normal – und dementsprechend erhält sie jetzt nur so wenig Geld.
Ernüchternde Hilfe
Stimmcoach Birgit Ellmerer hat ebenfalls das Jahr 2018 als Berechnungsgrundlage angegeben. «Es war ein Jahr, in dem ich viele Investitionen getätigt habe. Deshalb erhalte ich jetzt nur 3.20 Franken pro Tag. Damit kann doch niemand leben!»
Der Schwyzer Unternehmensberater Christian Schmid erklärt: «Das Problem mit diesen Mini-Entschädigungen für Selbständige entsteht durch die Grundlage, auf der die Beiträge bemessen werden.»
Der Experte erläutert den Weg zu den frustrierenden Mini-Zahlungen: «Der grösste Faktor liegt darin, dass die Bemessungsgrundlage das gemeldete AHV-pflichtige Einkommen ist. Das kann bei Selbständigen stark schwanken, und deshalb wird der AHV ein provisorisches, angenommenes Einkommen für das laufende Jahr gemeldet.» Problem: «Das kann tiefer liegen als das effektive Einkommen. Vor allem, wenn das vorangehende Jahr wenig Einkommen generiert hat.»
Das System sei laut Schmid zwar in sich konsistent, da zum Beispiel Einzelfirmen ja auch nur aufgrund ihres steuerbaren, AHV-pflichtigen Einkommens ihre Beiträge entrichten. Dennoch wünscht er sich mit Blick auf die Betroffenen für die Zukunft eine Änderung: «Wir werden nach Corona diskutieren müssen, ob sich die Selbständigen nicht auch der Arbeitslosenkasse anschliessen könnten.»
Céline Trachsel
Der Schwyzer Unternehmensberater Christian Schmid erklärt: «Das Problem mit diesen Mini-Entschädigungen für Selbständige entsteht durch die Grundlage, auf der die Beiträge bemessen werden.»
Der Experte erläutert den Weg zu den frustrierenden Mini-Zahlungen: «Der grösste Faktor liegt darin, dass die Bemessungsgrundlage das gemeldete AHV-pflichtige Einkommen ist. Das kann bei Selbständigen stark schwanken, und deshalb wird der AHV ein provisorisches, angenommenes Einkommen für das laufende Jahr gemeldet.» Problem: «Das kann tiefer liegen als das effektive Einkommen. Vor allem, wenn das vorangehende Jahr wenig Einkommen generiert hat.»
Das System sei laut Schmid zwar in sich konsistent, da zum Beispiel Einzelfirmen ja auch nur aufgrund ihres steuerbaren, AHV-pflichtigen Einkommens ihre Beiträge entrichten. Dennoch wünscht er sich mit Blick auf die Betroffenen für die Zukunft eine Änderung: «Wir werden nach Corona diskutieren müssen, ob sich die Selbständigen nicht auch der Arbeitslosenkasse anschliessen könnten.»
Céline Trachsel