Heidi Wegmüller (67) wohnt in einem 100 Jahre alten Haus in Oberburg BE. Eine schmale Treppe führt zum Eingang auf der Laube im ersten Stock. So alt das Ambiente, so modern die Weltanschauung der Bewohnerin. Schon vor der Haustür wird ihre Mission offensichtlich, eine Wäscheleine sticht ins Auge: Statt Unterhosen und Socken hängen an den gespannten Drähten alte Chipstüten, Fleischverpackungen und andere Plastikabfälle.
Die Rentnerin, deren Freunde sie mittlerweile liebevoll «Greta aus dem Emmental» nennen, erklärt: «Vor etwa zwei Jahren hat mich eine Bekannte darauf gebracht, meinen Plastikmüll separat zu sammeln und zu recyceln.» Seither mache sie das sehr pflichtbewusst und exakt, sagt Wegmüller: «Ich bin halt eine Perfektionistin.» Ausserdem läge ihr die Umwelt sehr am Herzen. Und möchte mit ihrer Müll-Wäsche gerne noch mehr Menschen zum separaten Plastik-Recycling bringen.
Abfall-Waschaktion ist Geruchsprävention
Da die ehemalige Bankangestellte alleine wohnt, ist der Plastik-Sammelsack erst etwa nach einem Monat voll. «Deswegen wasche ich den Abfall, damit der nicht zu stinken beginnt. Das können schmutzige Salatbeutel sein oder auch Fleischverpackungen, in denen manchmal noch Blut drin ist», sagt die Seniorin. «Da ich die Verpackungen ja nicht nass in den Sack stecken kann, hänge ich sie draussen an der Wäscheleine zum Trocknen auf.» Das geht aber leider nur im Sommer – im Winter trocknet sie die Tüten und Plastikboxen von Hand ab.
Es gibt auch keinen bestimmten Waschtag, sondern der anfallende Müll wird täglich gereinigt. Wegmüller dazu: «Da wird kein Wasser für verschwendet. Wenn ich das Geschirr vorwasche, dann werden die Verpackungen anschliessend im Abwaschwasser sauber gemacht.» Auch ihre Spülmaschine setzt sie nur sehr sparsam ein: «Die läuft nie halb voll. Deswegen benutze ich sie nur höchstens ein-, zweimal die Woche.»
Recycling-Seil sorgt für Gesprächsstoff
Ihre pingelige Art beim Recyceln habe schon oft für Gesprächsstoff gesorgt, sagt Wegmüller und fügt schmunzelnd an: «Aber so habe ich erfahren, dass es auch andere Leute gibt, die ihren Abfall waschen. Viele reinigen beispielsweise ihre Joghurtbecher.» Trotzdem denkt sie auch manchmal, ob sie es vielleicht nicht etwas übertreibe. Doch dann kommt sie letztendlich immer zum gleichen Schluss: «Ich bin zufrieden, so wie ich es mache. Und bleibe dabei – auch wenn ich manchmal ein wenig belächelt werde.»