Vier neue Corona-Fälle gab es gestern im Kanton Bern. Zwei davon in der Hauptstadt. Einen in Biel. Einen in Gstaad.
Seit kurzem veröffentlicht der Kanton Bern, in welcher Gemeinde Infizierte leben. Das ist einfach, denn getestete Personen müssen ihre Postleitzahl angeben. Trotzdem ist der Kanton schweizweit der einzige, der so weit ins Detail geht, berichtet «20 Minuten». Die anderen würden nur Kantonszahlen publizieren, nur einige noch zusätzlich Bezirke angeben.
Economiesuisse pocht auf Transparenz
Das sei ein Missstand, sagt Economiesuisse-Chefökonom Rudolf Minsch der Gratiszeitung. Mit kantonalen Zahlen würde die Bevölkerung in falscher Sicherheit gewogen, wenn es am eigenen Wohnort zu einem Ausbruch komme. «Steigen in Ihrer Gemeinde die Fallzahlen stark an, werden Sie sich plötzlich vorsichtiger verhalten – weil die Gefahr konkret ist», glaubt Minsch. Zudem würden etwa Auswärtige ihre Besuche aussetzen.
Minsch verlangt daher, dass die Fallzahlen «umgehend schweizweit nach Gemeinden aufgeschlüsselt werden». Die Veröffentlichung der Daten sei «eine günstige Präventionsmassnahme, die die Eigenverantwortung stärkt.» Verhindere sie nur einen grösseren Ausbruch, habe sie sich schon gelohnt.
Betroffene Gemeinde hält dagegen
Anders sieht das Marianna Lehmann, Gemeindepräsidentin von Wilderswil bei Interlaken BE. Ihre Gemeinde steht auf der Liste. Zu «20 Minuten» sagt sie, dass der Corona-Fall im Dorf zu Verunsicherung führe: «Man will wissen, wer krank ist, oder wagt sich nicht mehr aus dem Haus.» Eine Veröffentlichung der Zahlen möge daher in einer Stadt gehen. In einem Dorf wie dem ihrigen – knapp 2500 Einwohner – sei das aber fragwürdig. Sie rät daher der Rest-Schweiz von diesem Experiment ab.
Datenschutz-Experte Martin Steiger hat eine andere Meinung. Der IT-Anwalt sagt der Zeitung: «Die Wahrscheinlichkeit, Rückschlüsse auf die Identität der Betroffenen zu ziehen, ist selbst in kleinen Gemeinden minimal.» Er lobt den Kanton Bern für dessen genaue Zahlen und hofft, dass andere nachziehen. (vof)