Berner Toni Reichen (51) warnte vor Pfusch-Stützmauer – vergeblich
Er sah den Hangrutsch kommen, jetzt müssen sich Nachbarn Sorgen machen

Ein möglicher Hangrutsch in Niederhünigen BE sorgt weiterhin für Unruhe. Trotz offizieller Entwarnung bleiben Zweifel an der Sicherheit bestehen. Und Anwohner Toni Reichen traut der Sache nicht.
Publiziert: 24.04.2025 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 24.04.2025 um 13:01 Uhr
Toni Reichen macht sich weiterhin Sorgen wegen der Überbauung (im Hintergrund) direkt neben seinem Haus.
Foto: Gina Krückl

Darum gehts

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Martin MeulReporter News

Schon als die ersten Bagger am Hang oberhalb seines Bauernhauses auffuhren, wusste Toni Reichen aus Niederhünigen BE: Das kommt nicht gut! Denn für jede Schaufel, die weggebaggert wurde, rutschte am steilen Hang die dreifache Menge an Erde nach. Der Bauernhaus-Besitzer schlug zwar Alarm, wurde aber von den Verantwortlichen nicht ernst genommen, wie er beklagt. Die neue Überbauung Lindengarten oben am Hang wurde wie geplant gebaut. Bitteres Fazit von Toni Reichen: «Beim Bau wurde gepfuscht und die Gemeinde macht nichts!»

Kurz darauf zeigen sich die ersten Schäden bei Gebäuden in der Nachbarschaft – schiefe Treppen, verschobene Grenzsteine, Risse in Strassen und Häusern sowie klaffende Lücken zwischen Mauersteinen zeigen, dass die Erde in Bewegung ist. Blick berichtete im Sommer 2024 über den Fall. Mittlerweile ist klar: Reichen hatte recht. Begraben ist der Hangzoff deswegen aber noch lange nicht. Nun tauchte ein Schreiben von der Gebäudeversicherung auf – es liegt Blick vor. Es zeigt, dass die Versicherung beunruhigt ist. Viel mehr müssten aber die Bewohner der Überbauung das Schreiben besorgt sein. 

Erde in Bewegung

In der ersten Gemeindeinformation des Jahres widmet Gemeindepräsident Anton Schmutz der Überbauung Lindengarten einen Abschnitt im Vorwort. Seit dem Januar sei das baupolizeiliche Verfahren rund um die Überbauung abgeschlossen. Zwischen den Zeilen lässt sich Schmutz' Erleichterung erkennen. Der Gemeindepräsident schreibt: «An dieser Stelle bedanke ich mich bei allen Beteiligten für die Kompromissbereitschaft und die Akzeptanz der Schlussverfügung.»

Die Verfügung war vor allem wegen Toni Reichen nötig. Zwar wird der Hang mit einer Stützmauer abgesichert, doch das reicht Toni Reichen nicht. Er reicht eine Anzeige bei der Baupolizei ein, damit der Hang nachträglich besser gesichert wird. Dieses Verfahren ging im Januar zu Ende. Das Fazit: Reichen hatte recht, es muss nachgebessert werden.

Gemeinde fordert Massnahmen

Grundsätzlich hält die Gemeinde in der Verfügung zwar fest, dass «die Resultate der Messungen zeigen, dass die Hangbewegungen weitgehend zum Stillstand gekommen sind». Aber eben nur weitgehend. Erst einmal muss die Bauherrin die Stützmauer besser sichern. Heisst: Die Verankerung der Mauer muss verbessert werden. Zudem muss ein bereits in der Mauer entstandener Riss saniert werden.

Als letzter Punkt muss die Stützmauer dauerhaft überwacht werden. Einerseits müssen die Bewohner der Liegenschaften die Mauer regelmässig kontrollieren und Fotos machen. Zudem muss die Mauer jeden April von einem Experten vermessen werden, ob es neue Verschiebungen gab. Bis ins Jahr 2028 zahlt dafür die Bauherrin, danach müssen die Eigentümer blechen.

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Toni Reichen macht sich weiterhin Sorgen wegen der Überbauung (im Hintergrund) direkt neben seinem Haus.
Foto: Gina Krückl

Für die Gemeinde sind diese Massnahmen ausreichend. Gemeindepräsident Schmutz schreibt im Gemeindeinfoblatt: «Wir dürfen hoffen, dass mit den getroffenen Massnahmen die Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner sowie deren Liegenschaften auf Jahrzehnte gesichert ist.»

Berner Gebäudeversicherung offenbar skeptisch

Für Toni Reichen ist diese Aussage nicht wirklich beruhigend. Er ist weiterhin überzeugt, dass vom Hang neben seinem Haus eine grosse Gefahr ausgeht. «Es bleiben grosse, grosse Zweifel. Doch wir hatten einfach nicht mehr die Kraft, nochmals weiterzukämpfen», erklärt er den Grund, warum er die baupolizeiliche Verfügung akzeptiert hat.

Reichen ist nicht der einzige Zweifler. Blick liegt ein Schreiben der Gebäudeversicherung des Kantons Bern GVB zur Situation in Niederhünigen vor. Darin macht die Versicherung, bei der jedes Gebäude im Kanton obligatorisch versichert ist, eine brisante Aussage. Sie schreibt: «Nach einem Augenschein vor Ort sind wir beunruhigt und müssen davon ausgehen, dass allfällige Gebäudeschäden infolge Hangrutsch oder -druck keine Deckung im Sinne der Grundversicherung der Gebäudeversicherung Bern geniessen werden.»

Auf Nachfrage von Blick will sich die Gebäudeversicherung aus Datenschutzgründen nicht im Detail zur gemachten Aussage äussern. GVB-Mediensprecherin Linda Zampieri hält aber generell fest, dass prinzipiell im Kanton Bern Schäden an Gebäuden, die durch spontane Erdrutschungen verursacht werden, über die obligatorische Gebäudegrundversicherung versichert sind. «Nicht über die obligatorische Grundversicherung sind Schäden versichert, die infolge nicht genügend dimensionierter künstlicher Stützbauten entstehen», so Zampieri. Heisst: Kommt es zum Hangrutsch, und stellt die Versicherung fest, dass die Sicherungsmassnahmen ungenügend waren, so gibt es von der Versicherung kein Geld. Und die Nachbarn von Reichen zahlen die Zeche.

Reichens hoffen im Sinne aller beteiligten Grundstücksbesitzer, dass es nie so weit kommt. «Ein schlechtes Gefühl bleibt aber, denn gerade jetzt im Frühling kann es hier immer wieder zu massiven Niederschlägen und Überschwemmungen kommen», sagt er.

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