Jetzt streikt auch das Land
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Klimademo im Berner Seeland:Jetzt streikt auch das Land

Bauern leiden am meisten
Jetzt kommen die Klimademos in die Provinz!

Am Samstag fand in Ins (BE) die erste Klimademo auf dem Land statt. Rund 300 Personen nahmen daran teil. Sie forderten unter anderem höhere Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse.
Publiziert: 04.05.2019 um 23:40 Uhr
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Aktualisiert: 11.05.2019 um 10:41 Uhr
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Am Samstag fand in Ins (BE) die erste Klimademo auf dem Land statt. Mitorganisiert hatten sie Jugendliche aus Ins und Umgebung: Aline (14), Jessica (14), Anouk (14) und Nicola (15).
Foto: Thomas Meier
Dana Liechti (Text) und Thomas Meier (Fotos)

So etwas hat es im 3000-Seelen-Dorf Ins BE schon lange nicht mehr gegeben: Verstohlen blicken Anwohner hinter den Vorhängen hervor, manche stehen auf dem Balkon und schauen dem bunten und lärmigen Umzug zu, der zwischen den Einfamilienhäusern hindurchzieht.

Gestern fand im Berner Seeland die erste Klimademo auf dem Land statt – für Ins war es die erste Demo seit einer Ewigkeit. Rund 300 Personen nahmen teil. Familien und viele Jugendliche aus dem Dorf waren mit Plakaten und Schildern zu Fuss gekommen, manche mit Zug oder Velo aus der Umgebung angereist. Organisiert hatten die Demo Jugendliche aus Ins und den umliegenden Dörfern – mit Unterstützung der nationalen Klimabewegung: «Wir wollen den Stadt-Land-Graben schliessen. Schliesslich sitzen wir alle im selben Boot. Und gerade die Bauern hier im Seeland spüren schon heute die Folgen der Klimakrise stark», sagt Mitorganisator Nicola Probst (15) aus Müntschemier BE.

Skeptische Blicke aus dem Küchenfenster

Während Kinder lachend auf den Schultern ihrer Eltern am Umzug teilnahmen und Jugendliche zu Trommelklängen ihre Forderungen in die Luft schrien, waren im Dorf nicht alle begeistert von der Demo. Manche verfolgten den Umzug mit skeptischem Blick vom Küchenfenster aus. Eine Frau hatte für die jungen Aktivisten nur einen gesenkten Daumen und ein Kopfschütteln übrig. ­

Gemeindepräsident Kurt Stucki befürchtete, dass sich manche bei ihrem samstäglichen Einkauf im Dorf gestört fühlen könnten. Er selbst sei sich zwar nicht sicher, ob eine Demo der richtige Weg sei, «aber es ist wichtig, dass etwas fürs Klima gemacht wird».

Als Teilnehmer der Klimademo in Ins waren auch Heidi und Beat Garo mit dabei. Das Ehepaar führt im Nachbardorf Tschugg BE einen Bio-Bauernhof: «Wir finden es super, dass sich die Jungen für die Zukunft einsetzen», sagen sie. «Der trockene Sommer letztes Jahr hat uns die Augen geöffnet. Es muss sich etwas ändern.» Die beiden hielten vor den Demon­strierenden eine Rede.

Bereitschaft, mehr für Produkte zu zahlen

Darin forderten sie Konsumenten auf, mehr für landwirtschaftliche Erzeugnisse auszugeben, um den Preisdruck auf die Bauern und die Hauptsache-Billig-Mentalität zu stoppen: «Wer isst, der ist auch Teil der Landwirtschaft. Man muss bereit sein, mehr für die Produkte zu zahlen, dann würden auch viele Bauern umsteigen auf einen biologischen Betrieb», appellierte Beat Garo: «Konsumenten entscheiden, was produziert wird!»

Während die Leute im lokalen Coop nebenan ihre Wochenendeinkäufe machten, forderten die Demonstrierenden die Bauern im Seeland gar zu einem Klima-Aufstand auf: «Lasst euch nicht mehr von den Grossverteilern ausnutzen!» Noch waren aber nicht viele Bauern mit von der Partie. Landwirt Garo vermutet, dass seine Berufskollegen sich bei der Klimadebatte oft missverstanden und aussen vor fühlen. Zudem gebe es leider viele Konsumenten, die nur Lippenbekenntnisse machten, aber nichts änderten.

Umso wichtiger ist es den Garos, mit ihrer Teilnahme an der Demo ein Zeichen zu setzen und die Konsumenten zum Umdenken aufzufordern. Damit sich auch die Bauern verstanden fühlen. Mit der Demo auf dem Land ist nun ein erster Schritt dafür getan. 

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