Berater für sexuelle Grenzverletzungen erklärt Jegges Strategie
«Das Machtgefälle war riesig»

Ein Drittel aller sexuellen Übergriffe passiert am Arbeitsplatz. Täter nutzen die natürliche Nähe zu ihren Opfern aus, sagt Werner Tschan (63), der seit 30 Jahren Firmen im Umgang mit sexuellen Grenzverletzungen berät.
Publiziert: 09.04.2017 um 15:18 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 16:21 Uhr
Gabi Schwegler
Dr. med. Werner Tschan (63) leitet das «Beratungszentrum für sexuelle Grenzverletzungen in professionellen Beziehungen» in Basel.

Jürg Jegge hat sich seine Opfer in der eigenen Schule, in der eigenen Stiftung gesucht. Wieso ging er dieses Risiko ein?
Werner Tschan: Täter suchen sich Orte, wo sie eine natürliche Nähe zu Opfern haben. Jegge hat sich ein perfektes Umfeld eingerichtet. Er hat Menschen betreut, die auf ihn angewiesen sind, deshalb war das Machtgefälle riesig.

Die Betroffenen sagen, er habe die Anstellung im Märtplatz als Schweigegeld eingesetzt.
Das sind probate Strategien der Täter, mit denen sie die Zukunft der Opfer zerstören können. Gerade im Bildungsbereich können leitende Personen viel Einfluss auf die Zukunft ihrer Schützlinge nehmen. Mit Noten, Zeugnissen, Beförderungen oder eben Entlassungen beeinflussen sie Lebenswege massiv.

Was charakterisiert eine sexuelle Grenzverletzung am Arbeitsplatz?
Ein Drittel aller sexuellen Übergriffe findet im Arbeitsumfeld statt. Täter nutzen ihre Stellung als angesehene Person und schützen sich häufig hinter dem guten Ruf einer Einrichtung. Wenn etwas ans Licht kommt, kann man die Institution vorschieben.

Ein Opfer berichtete uns von Eifersuchtsszenen unter Missbrauchten. Was läuft da psychologisch ab?
Im Arbeitsumfeld will man die Gunst und Zuwendung einer solchen Figur. Oft nimmt diese eine Elternfunktion wahr. Da spielen also ganz einfache, banale Mechanismen. Wenn der Täter ganz gemein ist, spielt er genau das aus.

Wie können Unternehmen ihre Mitarbeiter vor solchen Übergriffen schützen?
Bei jeder Anstellung soll klargemacht werden, dass hingeschaut und jeder Verdacht ernst genommen und abgeklärt wird. Das schreckt potenzielle Täter ab. Und wenn es Anlaufstellen für Betroffene gibt, werden Täter vorsichtiger.

In den letzten Monaten machten nebst Markus Zangger auch Starkoch Mosimann, Autor Philipp Gurt und der ehemalige Ministrant Daniel Pittet öffentlich, dass sie sexuell missbraucht wurden. Ist das Zufall?
Opfer fühlen sich ermuntert, über ihre eigene Misshandlung zu sprechen, wenn sie Geschichten von anderen hören. Das Beispiel von Anton Mosimann zeigt, dass es auch Menschen in einer beeindruckenden sozialen Situation treffen kann.

Auffällig ist: Alle sind Männer.
Das ist tatsächlich erstaunlich. Der sexuelle Missbrauch von Männern ist noch immer ein viel grösseres Tabu als jener von Frauen. Es geht um die Idee, dass Männer nicht Opfer werden können. Das gehört nicht zum Selbstbild. Man hört oft, sie könnten sich besser wehren. Und wenn einer das nicht tut, wird ihm unterstellt, er habe es vielleicht doch ein bisschen gewollt.

Dr. med. Werner Tschan (63) leitet das «Beratungszentrum für sexuelle Grenzverletzungen in professionellen Beziehungen» in Basel.

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