Ausstiegshilfen für Sexarbeiterinnen
Die Politik lässt Prostituierte im Stich

Viele Prostituierte leiden. Doch sie schaffen es nicht, ihren Job aufzugeben. Auch, weil die Politik kein Bedarf sieht. Und das muss sich ändern, meint SonntagsBlick-Redaktorin Rebecca Wyss.
Publiziert: 28.01.2023 um 15:32 Uhr
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Aktualisiert: 28.01.2023 um 19:17 Uhr
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Rebecca WyssRedaktorin Gesellschaft / Magazin

Prostitution ist ein unsauberes Geschäft. Die Zustände von Zwang und Gewalt sind seit Jahren Thema in den Medien. Man weiss es. Doch wenig ändert sich. Vielleicht, weil so viele – rund 350'000 – Schweizer Männer mindestens einmal im Jahr zu einer Prostituierten gehen. Oder weil es nicht die eigene Tochter betrifft, sondern eine Frau von weither. Vielleicht aber auch: Das Thema, der hohe Preis, den die Frauen zahlen – sich damit auseinanderzusetzen, tut weh. Studienresultate wie jene der Universität Zürich aus dem Jahr 2009 schmerzen: Jede fünfte Prostituierte erlebt eine Vergewaltigung. Viele haben Schlafstörungen, Angstanfälle, Depressionen. Die Folge: Viele Frauen wollen aus dem Sexgewerbe aussteigen – und können nicht. Das erfährt, wer mit einer Ehemaligen wie Carla (50) spricht, wie wir's für das SonntagsBlick Magazin getan haben. Es gibt kaum Ausstiegshilfen. Ausser dank weniger christlicher NGOs, die aus Nächstenliebe und mit knappen Kassen aktiv werden, weil sie dem Elend nicht mehr nur zuschauen wollen. Die Politik? Schaut weg.

Zuletzt im Juni, als es im Nationalrat um die Einführung des nordischen Modells ging. Eine Chance für einen Systemwechsel. So wie in Schweden, Norwegen, Island, Irland, Kanada oder Frankreich, wo Freier und Zuhälter bestraft und Prostituierte entkriminalisiert werden. Dazu gehört ein Netz von Ausstiegshilfen und Aufklärungskampagnen. In Schweden ist die Prostitution dadurch um die Hälfte zurückgegangen. In der Schweiz sieht man keinen Bedarf, der Nationalrat lehnte die Motion ab. Und das sollte uns beschäftigen – endlich einmal.

Prostitution und ihre Schattenseiten sind ein Dauerthema in den Medien. Und doch ändert sich nichts.
Foto: Thomas Meier
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