Rund 1300 Liter Benzin und Diesel verbrennt jeder Schweizer Jahr für Jahr beim Autofahren. Trotz CO2-Gesetz geht der Verbrauch nur schleppend zurück. Denn die Schweizer lieben nun mal grosse Autos. Elektroautos sind bis anhin keine Konkurrenz: Ihr Anteil ist verschwindend klein. Was zeigt: Bundesrätin Doris Leuthards Energiewende findet im Strassenverkehr nicht statt.
Dabei gäbe es Technologien, die zum Turbolader werden könnten. Zum Beispiel künstliche Treibstoffe. Dafür müssen keine Bohrer in die Erde gerammt werden, um nach Öl zu suchen. Die Rohstoffe sind im Überfluss vorhanden: Strom, Wasser und CO2. Aus Wasser und Strom lässt sich mittels Elektrolyse Wasserstoff herstellen. Wird dieser mit CO2 angereichert, lässt sich künstlicher Treibstoff gewinnen.
Das Verfahren ist alt. In der Vergangenheit scheiterte die Anwendung daran, dass die Produktion von Wasserstoff mehr Energie verschlingt, als die Verbrennung abgibt. Mit der Stromschwemme in Europa hat sich dieses Problem verflüchtigt.
Die Industrie wäre bereit loszulegen. Allen voran der deutsche Autokonzern Audi. Er betreibt in Werlte (D) bereits eine Power-to-Gas-Anlage. Sie stellt genügend Treibstoff her, damit 1500 Autos 15'000 Kilometer pro Jahr fahren können.
In der Schweiz möchte Audi eine ähnliche Anlage bauen. «Die Schweiz hat regelmässig und immer häufiger Überschüsse an erneuerbarem Strom, sie ist offen für neue Projekte und sie ist politisch flexibler als die EU mit ihren 28 Mitgliedstaaten», sagt Reiner Mangold, Leiter Nachhaltige Produktentwicklung bei Audi. «Wir wären bereit, in der Schweiz eine Grossanlage zu bauen.»
Der Bremsklotz ist die Politik. Audi wäre zwar bereit, die Preisdifferenz zwischen Kunstsprit und herkömmlichem Benzin und Diesel zu übernehmen. Je nach Marktpreis sind dies 50 bis 60 Rappen pro Liter.
Doch das Problem ist das CO2-Gesetz. Dieses schreibt vor, dass Automobilimporteure eine Busse zahlen müssen, wenn die Fahrzeuge ihrer Flotte im Schnitt mehr als 130 Gramm CO2 pro Kilometer ausstossen. Mit Kunstsprit könnten die Automobil-Importeure den Verbrauch senken und sich von der Busse befreien. Doch gemäss Gesetz dürfen sie das im künstlichen Treibstoff gebundene CO2 nicht anrechnen.
Für Audi lohnt sich der Bau der Anlage deshalb nicht. «Solange das eingesparte CO2 nicht auf die Flottenemissionen angerechnet werden kann, können wir nicht starten», so Mangold.
Das Bundesamt für Energie (BFE) anerkennt zwar, dass synthetische Treibstoffe «ein bedeutendes Potenzial für die Reduktion der fossilen CO2-Emissionen» darstellen, und fördert «mit erheblichen Mitteln» sogenannte Leuchtturmprojekte. Doch die Frage der Anrechnung lasse sich «zurzeit noch nicht abschliessend beurteilen».
Das treibt den grünliberalen Politiker Thomas Böhni auf die Palme. Drei Motionen reichte er schon ein zur Befreiung von künstlichem Sprit von den CO2-Abgaben – ohne Erfolg. «Die Geschichte ist tragisch. Wir haben ein Projekt und einen Investor, aber trotzdem geht nichts», sagt Böhni. Die Behörden verkennten die Lage: «Wir brauchen keine Fördergelder, sondern eine Gesetzesänderung.»
Dem stimmt der Zürcher FDP-Nationalrat Ruedi Noser zu: «Der Widerstand gegen die Anrechenbarkeit ist allein ideologisch bedingt und zielt gegen den motorisierten Strassenverkehr.» Für die Umwelt spiele es keine Rolle, wo das CO2 eingespart werde. Noser fordert Sofortmassnahmen vom Departement Leuthard: «Es besteht dringender Handlungsbedarf. Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation sollte eine Sonderbewilligung erteilen, bis das CO2-Gesetz angepasst ist.»