In diesem Hitzesommer sitzen die Büezer am längeren Hebel. Überall brodelt es. Am Flughafen protestiert das Bodenpersonal, am Limmatquai fordern die Bauarbeiter bessere Arbeitsbedingungen – und haben gute Chancen, ihre Ziele zu erreichen. Chefinnen beknien ihre Angestellten zu bleiben, im Land herrscht Fachkräftemangel.
Die Gewerkschaften haben gerade einen Lauf. In einem Punkt aber haben sie sich heillos verrannt. Namentlich bei den Ladenöffnungszeiten. Vor ein paar Tagen feierte die Gewerkschaft Unia einen Sieg vor dem Zürcher Verwaltungsgericht: Die Migros muss ihre Filiale beim Zürcher HB sonntags definitiv schliessen. Der Versuch des Grossverteilers, den Laden nur mit Self-Check-out-Kassen zu betreiben, wurde als «Buebetrickli» abgetan.
Das ist natürlich absurd. Wenige Schritte neben der betroffenen Filiale liegt die Einkaufspassage Shopville: Knapp 200 Geschäfte, die auch sonntags geöffnet haben. Mehr ins Gewicht fällt die Tatsache, dass strikte Ladenöffnungszeiten ein alter Zopf sind, der längst abgeschnitten gehört. In Zürich etwa wundern sich Touristen am Sechseläutenmontag höchstens kurz darüber, dass die Einheimischen einen Schneemann abfackeln. Was sie wirklich irritiert, sind die geschlossenen Läden in der Bahnhofstrasse.
Was die Unia da vorführt, nennt man Schattenboxen. Sie kämpft gegen einen nicht vorhandenen Gegner, gegen ein Gespenst vergangener Tage, in einem Stadion ohne Zuschauer. Um es in einem zum Kontext passenderen Bild auszudrücken: Die Unia ist wie das Kleinkind, das am Boden vor dem Süssigkeitenregal vor Wut täubelet, während der Papi und das Mami längst seelenruhig zur Kasse weitergezogen sind. Kurz: Ladenöffnungszeiten sind passé.
Die Gewerkschaft Unia mag sich nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts kurz auf die Schulter geklopft haben. Weitergebracht hat sie die Schweiz nicht. Hinzu kommt: Die Migros will den umstrittenen Laden nächsten Sonntag wieder öffnen. Mit Personal. Es handle sich, argumentiert sie nun, um einen «Betrieb für Reisende». Die Unia schäumt – und kündigte juristische Schritte an.
Die Fünftagewoche war zweifellos eine wichtige Errungenschaft der Arbeiterbewegung. Heute ist sie bloss noch ein Anachronismus. Es gibt Firmen, die eine Viertagewoche einführen. Viele Beschäftigte arbeiten Teilzeit, dank Homeoffice zu Zeiten und an Orten, die sie selbst wählen. Der Sonntag ist weder heilig noch gehört er der Familie. Denn: In die Kirche geht praktisch niemand mehr – und wann Familienzeit ist, lässt sich eine moderne Familie zum Glück nicht mehr vorschreiben.