Atemtests liefern oft kreuzfalsche Ergebnisse
Vorsicht, Alkohol-Kontrolle!

Passen Sie bloss auf, wenn Sie nach einer Weihnachtsfeier mit dem Auto nach Hause fahren.
Publiziert: 14.12.2014 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 19:05 Uhr
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SonntagsBlick-Reporterin Céline Krapf macht den Atemtest: Nach zwei Bier hat sie rund 0,4 Promille.
Foto: Sabine Wunderlin
Von Walter Hauser und Katia Murmann

Anton Landolt (53), Chef der Glarner Verkehrspolizei, mahnt: «Die Polizei macht vermehrt Alkoholkontrollen, Festtage hin oder her.» Fehlbare Fahrzeuglenker werden bestraft: mit Bussen, Ausweisentzug und Freiheitsstrafen. Für Landolt ist das keine Schikane: «Es dient der Verkehrssicherheit.»

Doch wer angehalten wird und ins Röhrchen blasen muss, sollte doppelt auf der Hut sein: Es kann sein, das der Atemlufttest ein falsches Ergebnis anzeigt.

Experten sind alarmiert: «Die Messung der Atemluft ist kein zuverlässiger Gradmesser für die konsumierte Alkoholmenge», sagt Jürg Boll (62), Staatsanwalt in Zürich und Spezialist für Strassenverkehrsrecht. Wie der Körper Blutalkohol in Atemalkohol umwandle, sei von Mensch zu Mensch sehr verschieden.

Das Problem: Die Grenzwerte des Bundes beziehen sich auf den Alkoholgehalt im Blut – gemessen wird aber immer öfter nur mit Atemmessgeräten. Das Gerät rechnet das Messergebnis deshalb um – nach einer bestimmten Formel. Dabei gibt es nach Aussagen der Experten keinen festen Zusammenhang zwischen der Alkoholkonzentration im Atem und jener im Blut. 

Wie riesig die Unterschiede sein können, zeigen Praxistests der Universität Zürich: Hat ein Autofahrer einen tatsächlichen Blutalkohol von 0,8 Promille, so schwankt beim Atemlufttest die Bandbreite zwischen 0,29 und 1,31 Promille.

Damit wachse die Gefahr, dass Unschuldige wegen Blaufahrens verurteilt würden, sagt der Zürcher Rechtsmediziner und Toxikologe Thomas Kraemer (50).

Darum setzt die Polizei auf Atemtests

Bis 2005 galt in der Schweiz nur der Bluttest als Beweismittel gegen Alkoholsünder am Steuer. Seitdem darf sich die Polizei bei Werten zwischen 0,5 und 0,79 Promille auf den Atemtest verlassen. Es sei denn, der betroffene Verkehrsteilnehmer besteht ausdrücklich auf einem Bluttest.

Die Atemtests erleicherten vor allem der Polizei das Leben. Dank des Röhrchens steht das Resultat schon nach Sekunden fest. «Atemlufttests machen Alkoholkontrollen einfacher und schneller», sagt Max Hofmann (49), Generalsekretär des Schweizerischen Polizeibeamtenverbands (VSPB). Den Autofahrern aber kann der Atemtest die Laune kräftig vermiesen.

Künftig weht Blaufahrern ein noch rauerer Wind entgegen. Denn ab 1. Juli 2016 soll auch für Werte ab 0,8 Promille der Atemlufttest als Beweis gelten. Auch bei solch schweren Verstössen sollen sich Polizei und Staatsanwälte also auf die wenig sicheren Atemtests verlassen.

Rechtsmediziner Thomas Kraemer kritisiert den Entscheid. Es sei «absolut unverständlich, dass in einer Zeit, in der der Sachbeweis in Gerichtsverfahren immer wichtiger wird, auf einen so exzellenten Sachbeweis wie die Blutprobe verzichtet wird».

Das Bundesparlament hat dazu bereits grünes Licht gegeben. Eine enstprechende Verordnung ist derzeit in Vernehmlassung.

Bundesamt entscheidet über Geräte

Umstritten ist aber nicht nur der Atemtest an sich, sondern auch, welche Geräte in Zukunft zugelassen werden sollen. Polizei-Kreise bestätigen, dass die heutigen Atemluftmessgeräte zu wenig genau seien. Allerdings kämen schon bald präzisere Geräte auf den Markt.

Welche tatsächlich in Frage kommen, muss das Eidgenössische Institut für Meteorologie entscheiden. Stefan Blättler (55), Präsident der schweizerischen Polizeikommandantenkonferenz und Berner Polizeikommandant, sagt: «Erst wenn dies erfolgt ist, kann über eine Auswahl der Geräte entschieden werden.»

«Blasen Sie wie in eine Trompete!»

SonntagsBlick-Reporterin Céline Krapf (26) wollte wissen, wie so ein Atemtest geht. Zur Vorbereitung trinkt sie zwei grosse Biere, insgesamt einen Liter. Dann, 20 Minuten später, streckt ihr ein Polizist der Kantonspolizei Glarus ein Röhrchen samt Messgerät entgegen. Die Ansage des Polizisten: «Wie in eine Trompete blasen!» Sekunden später piepst es. Dann beginnt das Gerät seine Arbeit. Rasant steigt die Promillezahl am Anfang, dann nur noch langsam. Schliesslich bewegt sich auf dem Display nichts mehr. Das Ergebnis: 0,39 Promille – fahrtüchtig, und das nach einem Liter Bier. Ob das Ergebnis beeinflusst werden kann, wenn man etwas Wasser trinkt? Auch das probiert Krapf – und bläst wenige Minuten später erneut. Das Ergebnis ist tatsächlich etwas tiefer: 0,34 Promille. Und was macht ein Kaumgummi aus? Krapf kaut kurz – und bläst erneut. 0,38. Der Polizist weiss: «Kaugummi und Zigaretten sind beim Alkoholtest kontraproduktiv.»

SonntagsBlick-Reporterin Céline Krapf (26) wollte wissen, wie so ein Atemtest geht. Zur Vorbereitung trinkt sie zwei grosse Biere, insgesamt einen Liter. Dann, 20 Minuten später, streckt ihr ein Polizist der Kantonspolizei Glarus ein Röhrchen samt Messgerät entgegen. Die Ansage des Polizisten: «Wie in eine Trompete blasen!» Sekunden später piepst es. Dann beginnt das Gerät seine Arbeit. Rasant steigt die Promillezahl am Anfang, dann nur noch langsam. Schliesslich bewegt sich auf dem Display nichts mehr. Das Ergebnis: 0,39 Promille – fahrtüchtig, und das nach einem Liter Bier. Ob das Ergebnis beeinflusst werden kann, wenn man etwas Wasser trinkt? Auch das probiert Krapf – und bläst wenige Minuten später erneut. Das Ergebnis ist tatsächlich etwas tiefer: 0,34 Promille. Und was macht ein Kaumgummi aus? Krapf kaut kurz – und bläst erneut. 0,38. Der Polizist weiss: «Kaugummi und Zigaretten sind beim Alkoholtest kontraproduktiv.»

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