Abgehängt und «düstere» Zukunft ohne Sprachkenntnisse
Schule künftig nur für Kinder, die Deutsch sprechen?

In der Schweiz gehen derzeit über 300'000 Kinder zur Schule, die zu Hause keine Schweizer Landessprache sprechen. Das belastet Lehrpersonal, Mitschüler und die betroffenen Kinder selbst. Frühkurse für Dreijährige gelten als Schlüssel für eine gelungene Integration.
Publiziert: 18.08.2019 um 12:49 Uhr
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Aktualisiert: 18.03.2021 um 14:55 Uhr
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Nie gab es in der Schweiz so viele Kinder im Einschulalter mit ungenügenden Sprachkenntnissen.
Foto: Keystone

Nie gab es mehr fremdsprachige Schüler in der Schweiz. Inzwischen kommt jeder dritte Volksschüler aus einem Elternhaus, in dem eine andere Sprache als in der Schule gesprochen wird. Darunter sind viele ohne genügende Deutschkenntnisse, wie die «SonntagsZeitung» berichtet. Experten fordern obligatorische Sprachförderkurse für Kinder, die bei der Einschulung kaum Deutsch beherrschen. Sonst drohe die Gefahr von Parallelgesellschaften.

Im Jahr 2000 stammte noch jedes fünfte Schulkind aus einem Elternhaus, in dem eine andere Sprache als in der Schule gesprochen wird. Geht der Trend weiter, wird sich die Zahl der Kinder, die ohne hinreichende Deutschkenntnisse in die Schule gehen, bald verdoppelt haben.

«Das birgt die Gefahr, dass Parallelgesellschaften entstehen», sagt der Basler Nationalrat Christoph Eymann, Ex-Präsident der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), der Zeitung. «Es braucht schweizweit vor der ­Einschulung obligatorische Sprachförderkurse für Kinder, die kaum Deutsch beherrschen. Kinder ohne genügende Deutschkenntnisse sollten noch nicht ­eingeschult werden.»

Düstere Zukunft ohne Sprachkenntnisse

Das Thema ist brisant. So kann in Schaffhausen fast die Hälfte der Kinder im Einschulalter kaum Deutsch. In vielen städtischen Gebieten herrscht eine ähnliche Situation. Kinder, die die Sprache kaum beherrschen, machen es auch für Lehrerinnen und Lehrer schwieriger: «Wenn sie diese Schüler nicht einfach links liegen lassen wollen, müssen sie sich derart stark um sie kümmern, dass die anderen Schüler darunter leiden», so Eymann.

Es sei zwingend nötig, dass Kinder schon vor dem Eintritt in den Kindergarten die Sprache lernen, also mit drei Jahren. Ohne ausreichende Sprachkenntnisse mache die Einschulung keinen Sinn, weil Kinder nicht kommunizieren und verstehen können, was von ihnen verlangt werde. Sie würden schnell abgehängt, und die Lücken seien später kaum mehr zu schliessen.

«Die Aussichten für jene, die in der Schule scheitern, sind sehr düster», so Eymann. «Sie können in der Sozialhilfe landen. Deutschkurse kosten Geld, aber fehlende Integration und unzureichende Bildung sind am Ende viel teurer.»

Nachholbedarf auf nationaler Ebene

Zuständig für die Schule, die im Alter von vier Jahren beginnt, sind die Kantone. Die Altersjahre davor sind politisches Niemandsland. Niemand ist dafür zuständig, dass Erstklässler beim Schuleintritt die an ihrem Wohnort gesprochene Sprache sprechen.

Verschiedene Kantone ergreifen jetzt Massnahmen zur Frühförderung. In Basel-Stadt gibt es bereits seit 2013 ein solches Obligatorium. An zwei Halbtagen pro Woche müssen Drei- und Vierjährige eine Spielgruppe mit spezieller Sprachförderung besuchen. Auf nationaler Ebene herrscht Verbesserungsbedarf. (kes)

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