Abfallsünder
So schiesst die Schweiz auf Dreckspatzen

ZÜRICH – Der Zürcherin Klara W. (79) drohen wegen einem falschen Abfallsack zwei Tage Gefängnis. Dabei käme die «Abfallsünderin» vergleichsweise günstig davon.
Publiziert: 14.09.2009 um 16:16 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:45 Uhr
Von Raphael Diethelm
Die Rentnerin Klara W. könnte noch heute von der Polizei abgeholt werden, um eine Ersatz-Freiheitsstrafe antreten zu müssen. Weil die Zürcherin für einen falschen und unsachgemäss entsorgten Abfallsack keine 120 Franken Busse zahlt. «Ich war das nicht», sagt die Frau, die seit Jahren im Rollstuhl sitzt, zu BLICK.Muss eine 79-Jährige wegen einem Abfallsack hinter Gitter? «Das ist richtig so», schreibt Daniel Kappeler im Feedback auf Blick.ch stellvertretend für jene Leser, die vor dem Gesetz Gleichheit für alle erwarten.Andere Kantone – ähnliche SittenGüsel-Grüsel werden in der sauberen Schweiz immer härter angefasst. Den Abfallsündern drohen Bussen bis zu 300 Franken, wie folgende Beispiele zeigen:Im Oktober 2008 wird in Jonschwil SG ein Abfallsack ohne Gebührenmarke gefunden. Der Sünder, anhand der Abfälle identifiziert, kriegt eine Busse von 80 Franken.Die Luzerner stimmen im Februar 2009 für schärfere Massnahmen gegen Abfallsünder: Kurz danach blecht ein Mann, der eine Zigarette aus dem Auto wirft, 40 Franken.Eine Person wird im Juli 2009 beobachtet, als sie in Bergdietikon AG Glasflaschen in einem öffentlichen Abfallbehälter entsorgt. Das kostet sie 250 Franken.Im August 2009 spricht der Gemeinderat von Kirchleerau AG eine Busse von 150 Franken aus. Ein Abfallsünder hatte in einem Papier- und Kartoncontainer «Fremdmaterial» entsorgt.Stephan Bögli vom Amt für Wasser und Abfall des Kantons Bern verweist auf die Liste mit Ordnungsbussen für Abfallsünder. «Die haben wir als eine der ersten Kantone eingeführt», sagt er. Andere – etwa Nachbar Luzern – hätten die Bussenliste dann übernommen.Hundedreck macht mal 80, mal 100 Franken«Die Polizei ist zwar relativ machtlos, wenn es um kleine Vergehen geht», sagt Bögli. Damit meint er etwa das Hinauswerfen von Gegenständen aus dem Auto (100 Fr.) oder das Hinterlassen von Hundekot (80 Fr.). Das muss vor den Augen der Polizei geschehen, um eine Busse zu schreiben. Mit 120 Franken wäre Klara W. relativ billig davongekommen: Illegal entsorgte Abfallsäcke «kosten» Berner Abfallsünder zwischen 150 und 300 Franken.Auf Berner und Luzerner Boden werden ein ausgespuckter Kaugummi mit 40, ein ausgekippter Aschenbecher mit 80 Franken gebüsst. Zumindest auf dem Papier. Der Kanton Basel Stadt berappt Frau- und Herrchen, die ein Häufchen liegen lassen, 100 Franken. Und wer selber im öffentlichen Raum pinkelt, zahlt am Rheinknie wie auch im Kanton Schwyz eine Ordnungsbusse von 50 Franken.Bei all diesen kleinen Strafen für kleine Schweinereien gilt: Wer nicht zahlen will, muss fühlen. Das erlebt die 79-jährige Klara W. nun hautnah.
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