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BLICK erklärt die Wasserschlacht von Zürich
Schnappt sich Nestlé unser Trinkwasser?

Das neue Zürcher Wassergesetz sorgt für einen hitzigen Abstimmungskampf. Besonders strittig ist dabei die Frage, inwiefern sich private Investoren an der Wasserversorgung beteiligen dürfen. Die Linke befürchtet einen Dammbruch.
Publiziert: 29.01.2019 um 16:56 Uhr
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Aktualisiert: 30.01.2019 um 13:43 Uhr
Im Kanton Zürich tobt ein emotionaler Abstimmungskampf um das neue Wassergesetz.
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Im Kanton Zürich tobt ein hochemotionaler Abstimmungskampf um ein neues Wassergesetz. Eine richtiggehende Wasserschlacht!

Denn die bürgerliche Kantonsratsmehrheit hat einen besonders umstrittenen Passus ins Gesetz gedrückt: Private Investoren wie Nestlé sollen sich an der Wasserversorgung beteiligen dürfen – mit Kapitalanteilen von bis zu 49 Prozent und höchstens einem Drittel der Stimmrechte. 

Linke läuft Sturm

Die Linke läuft Sturm gegen die angedachte Teilprivatisierung. In ihrer Kampagne läutet sie die Alarmglocken. «Nein zur Privatisierung unseres Trinkwassers», lautet ihr Slogan.

Angeführt wird der Widerstand gegen das Wassergesetz von der SP. So befürchtet auch die kantonale SP-Co-Präsidentin und Nationalrätin Priska Seiler Graf (50) einen Dammbruch. «Mit der Teilprivatisierung wird die Tür mehr als nur einen Spalt für eine weitergehende Privatisierung geöffnet», sagt sie.

In der ursprünglichen Fassung habe der Regierungsrat ein Privatisierungsverbot festschreiben wollen. «Dass die bürgerlichen Kantonsräte den Passus abgeändert haben, zeigt doch, welche Absicht dahintersteckt. Wer investiert, will früher oder später auch eine Rendite sehen.»

SP-Seiler: «Signal gegen Privatisierungswut»

Das neue Gesetz hält zwar fest, dass die Gebühren nur kostendeckend und verursachergerecht sein dürfen – Gewinne sind also untersagt. Die Gegner befürchten aber, dass sich allfällige Investoren über indirekte Ausschüttungen abgelten lassen. «Eine angemessene Kapitalverzinsung kann bereits interessant sein», sagt Seiler Graf. Oder dass sich ein Investor günstigere Tarif zusichern lasse.

Für die SP-Frau ist zudem klar, dass der Entscheid des Zürcher Stimmvolks Signalwirkung haben wird – auf die eine oder andere Seite. «Ist das Tabu mit einem Ja erst einmal gebrochen, könnten auch andere Kantone auf die Idee kommen, die Privatisierung von Service-public-Aufgaben voranzutreiben – nicht nur bei der Wasserversorgung, sondern auch in anderen Bereichen», sagt Seiler Graf. 

Für sie gilt deshalb: «Wehret den Anfängen. Mit einem Nein setzen wir ein deutliches Signal gegen die Privatisierungswut der Bürgerlichen.»

FDP-Bigler spricht von «Angstszenarien»

Die bürgerlichen Kontrahenten halten vehement dagegen. «Die Gegner versuchen die Vorlage mit Angstszenarien zu Fall zu bringen», moniert Gewerbeverbandsdirektor und FDP-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler (60). Was die Privatisierungsfrage betrifft, sei das Gegenteil der Fall: «Das neue Gesetz verhindert eine vollständige Privatisierung. Auch Gewinne sind nicht möglich, da nur kostendeckende und verursachergerechte Gebühren erhoben werden dürfen.»

Doch was verspricht sich Wirtschaftsmann Bigler von einer Teilprivatisierung, wenn keine Rendite? «Es gibt andere Faktoren, die für private Investoren interessant sein können»,  erklärt er. «Ein Unternehmen kann damit zum Beispiel sein Geschäftsfeld diversifizieren, neues Kundenpotenzial erschliessen, zusätzliches Wissen gewinnen oder Synergien nutzen.»

Er denkt dabei auch an Gewerbebetriebe, welche auf neue Aufträge zählen könnten. «Für ein Unternehmen im Tiefbaubereich lässt sich die Investition allenfalls mit Aufträgen bei der Infrastruktur kombinieren.»

Im Gegenzug würden die Gemeindebudgets entlastet, so Bigler. «Das ist für beide Seiten eine Win-win-Situation und bestimmt nicht der Anfang einer Privatisierungswelle.»

Auch Öko-Frage sorgt für Zwist

Die Privatisierungsfrage ist allerdings nicht der einzige strittige Punkt in der Vorlage. Das links-grüne Lager sieht insgesamt den Gewässerschutz geschwächt, indem etwa näher an Gewässern gebaut werden dürfte. Auch die Revitalisierung von Gewässern werde erschwert. «Der Umweltteil ist katastrophal», sagt SP-Frau Seiler Graf. «Alleine dagegen schon hätten wir die Vorlage vors Volk gebracht.»

Auch hier versucht Bigler den Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen: «Es ist eine Vorlage mit Augenmass, welche auch die Interessen der Umwelt berücksichtigt. An verschmutztem Wasser hat niemand ein Interesse.»

Gegner haben die Nase vorn

Am 10. Februar entscheidet das Stimmvolk, wer als Sieger aus dem hitzigen Abstimmungskampf hervorgeht. In einer «NZZ»-Umfrage haben die Gegner die Nase derzeit vorn: 53 Prozent lehnen das Wassergesetz ab, nur 21 Prozent sind dafür. Der Rest ist noch unentschlossen.

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