Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) stellt nicht nur den wirtschaftlichen Nutzen der Personenfreizügigkeit infrage (BLICK berichtete letzte Woche). Nein, es überschreitet sogar die rote Linien, die der Bundesrat beim Rahmenabkommen gezogen hat. Es redet von Sparpotenzial beim Lohnschutz, wenn dieser abgeschafft würde.
Denn ohne die Freizügigkeit mit der EU dürften wohl auch Lohndumping-Massnahmen – die flankierenden Massnahmen (FlaM) – eingestellt werden. «Bei einer Abschaffung der FlaM könnten alleine beim Bund rund zehn Millionen Franken jährlich gespart werden», heisst es wörtlich in der Stellungnahme, die das Seco zur Kündigungs-Initiative der SVP abgab. Das ist heikel: Das Stimmvolk hat sich 2005 explizit für die Flankierenden ausgesprochen.
Gewerkschafts-Boss Wüthrich hält Lösung für «schwierig»
Weil schon Aussenminister Ignazio Cassis (58, FDP) den Lohnschutz letzten Sommer infrage gestellt hatte, sah sich der Bundesrat später genötigt, die roten Linien nachzuziehen. Und dennoch wurden diese in Gesprächen mit den Sozialpartnern wieder hinterfragt, worauf die Gewerkschaften den Verhandlungstisch verliessen. Dank des Engagements der neuen Justizministerin Karin Keller-Sutter (55, FDP) zeigten sich diese jüngst wieder zur Mitarbeit bereit.
Und jetzt das: «Es ist die ureigenste Aufgabe des Seco, den Lohnschutz zu wahren», sagt Travailsuisse-Chef und SP-Nationalrat Adrian Wüthrich (39). Angesichts der in der Stellungnahme geäusserten Haltung des Staatssekretariats sei es nun aber schwierig, beim Rahmenabkommen noch eine gute Lösung zu finden.
«Unbürokratische Zuwanderungspolitik»
Auch dass sich das Seco in seiner Stellungnahme, die BLICK zur Verfügung gestellt wurde, kritisch zeigt zum Freizügigkeitsabkommen (FZA), gibt ihm zu denken. Denn auf Seite 29 heisst es: «Theoretisch könnte die Schweiz auch ohne FZA eine unbürokratische und zahlenmässig grosszügige Zuwanderungspolitik haben.» Also mit Kontingenten.
Anders als das Generalsekretariat des Wirtschaftsdepartements übt das Seco nicht massive Kritik am FZA, aber äussert entgegen einer Meldung der «Neuen Zürcher Zeitung» Zweifel, die einen Konsens im Inland erschweren.