In der SVP-Fraktion war Andreas Glarners (56) Lehrerinnen-Hetze kein Thema. Obwohl man in der heutigen Fraktionssitzung am Vormittag eigentlich über den erneuten Fehltritt des SVP-Nationalrats reden wollte, entschied sich die Parteileitung, die Affäre totzuschweigen. Die Causa Glarner war nicht mal traktandiert.
SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (40) bestätigt, dass der Fall kein Thema war. Mehr will er nicht dazu sagen. Parteichef Albert Rösti (51) schweigt ebenfalls. Und Glarner selbst lässt via SMS wissen: «Ich kommentiere diese Angelegenheit nicht mehr.»
Der Aargauer Nationalrat hatte sich am Sonntag auf öffentlichen Druck hin bei der Lehrerin entschuldigt. Das reiche, finden viele in der Fraktion. Deshalb brauche es keine Aussprache mehr.
Schon vor einem halben Jahr hatte sich Glarner ähnlich verhalten. Damals veröffentlichte er eine Dübendorfer Schülerliste, um auf den seiner Ansicht nach zu hohen Ausländeranteil aufmerksam zu machen. Nach der öffentlichen Empörung entschuldigte er sich auch damals.
Hetze soll unter den Teppich gekehrt werden
Die Schweizer Parteiführung will Glarners Hetze offenbar möglichst rasch unter den Teppich kehren. Sie macht sich nicht gut im Wahljahr. Und der Aargauer SVP-Chef Thomas Burgherr (56) kritisierte bloss halbherzig. «Es war sicher nicht richtig, die Lehrerin in die Sache miteinzubeziehen», sagt er in der «Aargauer Zeitung». In der Sache habe Glarner ja recht.
Auch SVP-Nationalrat Felix Müri (61, LU) will den Stab nicht über Glarner brechen. «Er hat eingesehen, dass er einen Fehler gemacht hat und hat sich entschuldigt», sagt er zu BLICK. Glarner habe dabei bestimmt auch auf einen gewissen Druck von anderen Parteikollegen reagiert, die seine Vorgehensweise nicht goutiert hätten. «Dass er die Lehrerin an den Pranger gestellt hat, war falsch – das hat er ja auch öffentlich eingeräumt. Damit ist die Sache für uns erledigt.»
Dass die Causa Glarner in der Fraktionssitzung kein Thema war, hält Müri für unproblematisch. «Wir können nicht jede umstrittene Aussage eines Fraktionsmitglieds debattieren», winkt er ab. «Jeder ist erwachsen genug und für seine Statements selber verantwortlich. Und jeder muss dafür gerade stehen.» Dass Glarner nun von der Aargauer Stimmbevölkerung abgestraft wird, glaubt Müri aber nicht.
Auch SVP-Nationalrat Alfred Heer (57, ZH) hatte im SonntagsBlick klar gemacht: «Kein Politiker sollte öffentlich eine Lehrerin an den Pranger stellen, die einfach ihren Job macht.» Wenn schon, müsste man auf politischem Wege die Verordnung der Schule ändern.
«Ich wünsche mir das ales Wiedr gut wird»
Letzte Woche hatte Glarner die Handynummer und die E-Mail-Adresse einer Lehrerin veröffentlicht und gefordert, ihr die Meinung zu sagen. Das nur, weil er es skandalös fand, dass die junge Lehrerin die Eltern eines muslimischen Schülers informierte, er müsse fürs muslimische Fastenbrechen Bayram nicht extra einen Jokertag einziehen. Sie orientierte somit nur über die Regeln, die für alle Schulkinder in gleicher Weise gelten - ungeachtet von Religion und Herkunft. Darauf läutete das Handy Sturm und es gab Beschimpfungsmails. Die Lehrerin blieb dem Unterricht einige Tage fern.
Eine riesige Aufmerksamkeit erhielt Glarners Hetze, weil die kleine Elena ihre Lehrerin schrecklich vermisste. Die Erstklässlerin hatte eine Zeichnung gemacht, in der sie mit noch etwas holpriger Rechtschreibung schrieb: «Ich wünsche mir das ales Wiedr gut wird.»
Öffentlichkeit ist kritischer als die SVP
Zudem dürfte Glarners erneuter Fehltritt noch ein juristisches Nachspiel haben. Wie sehr die Affäre Glarner der Partei schaden könnte, zeigen die zahlreichen Tweets, in denen das Vorgehen des Aargauers verurteilt wird. Zudem häufen sich die Tweets, in denen Glarner auf die Schippe genommen wird - zum Beispiel so: