Schiffe stehen zum Verkauf
Bund verliert wegen Handelsflotte über 100 Millionen

Weil die Hochseeschifffahrt nicht mehr rentiert, muss der Bund tief in die Tasche greifen. Die drohenden Ausfälle sind schlimmer als befürchtet. Das räumen die Behörden nun erstmals ein.
Publiziert: 27.01.2017 um 13:57 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 18:34 Uhr
Die Schweizer Hochseeflotte (im Bild das Frachtschiff Albula) umfasst insgesamt 49 Schiffe.
Foto: Keystone

Sie ist eine Absicherung für Krisenzeiten: 50 Schiffe gehören derzeit zur Schweizer Hochseeflotte, die während des Zweiten Weltkriegs gegründet wurde. Sie hat den Auftrag, im Notfall auf Anordnung des Bundesrats die wirtschaftliche Landesversorgung zu sichern. 

Als Gegenleistung vergibt der Bund Kreditgarantien für die Schiffe. So übernimmt er derzeit Bürgschaften in der Höhe von über 700 Millionen Franken, damit Schweizer Reedereien Frachter und Tanker kaufen können. 

Doch nun wurde bittere Realität, wovor die Eidgenössische Finanzverwaltung vergangenen September bereits gewarnt hatte: Die Krise in der Schifffahrt hat ernsthafte Folgen für das Binnenland Schweiz.

Einer der sechs Reeder, der vom Bund unterstützt wird, steht wegen Überschuldung vor dem finanziellen Aus, wie die «Aargauer Zeitung» berichtet. Ihr liegt ein Aussprachepapier vor, das Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann vergangenen Monat dem Bundesrat präsentiert hat.

Bis zu einer Million Franken Verlust pro Monat

Darin geht es um die zwölf Schiffe der SCL-/SCT-Gruppe mit Sitz in Bäch SZ, die acht Frachter und vier Tanker besitzt. 236 Millionen Franken Bundesdarlehen sollen darin stecken, wie die «Aargauer Zeitung» schreibt.

Im ihr vorliegenden Bericht heisst es: «Aufgrund des aktuellen Dahrlehensausstands bei den Schiffen und der tiefen Marktpreise für die acht Schiffe der SCL-Gruppe ist von einem Verlust für den Bund an der oberen Grenze bisheriger Schätzungen und damit von 110 bis 125 Millionen Franken auszugehen.» Beziehe man auch die vier Tanker in die Berechnungen mit ein, sei von einem «Verlust zwischen 175 und 200 Millionen» Franken auszugehen. «Infolge der Bürgestellung müsste der Bund den Ausfall übernehmen.»

Um den finanziellen Schaden in Grenzen zu halten, versucht der Bund nun, die betroffenen Schiffsgesellschaften zu liquidieren und die Schiffe zu verkaufen. Dabei drängt die Zeit. Denn seit November könne der Schiffsbetrieb nur mittels Überbrückungskredite des Bundes aufrechterhalten werden. Monatlich gehe es um Beträge im Rahmen von einer halben bis zu einer Million Franken.

Schneider-Ammann sei deshalb ermächtigt worden, die Schiffe freihändig und einzig in Rücksprache mit Finanzminister Ueli Maurer zu verkaufen – damit der Bund die teuren Frachter und Tanker so schnell wie möglich los wird.

Schneider-Ammann reicht Anzeige ein

Am Nachmittag bezog Schneider-Ammanns Departement Stellung zum Medienbericht. «Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Entwicklung in dieser Branche droht dem Bund durch den Ausfall von Bürgschaften ein finanzieller Schaden in unterer dreistelliger Millionenhöhe», heisst es in der Mitteilung des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF).

Seit Mitte 2015 habe der Bund Massnahmen ergriffen, um diesen Schaden zu verhindern – oder mindestens zu vermindern. Die Eidgenössische Finanzkontrolle habe eine Administrativuntersuchung durchgeführt, deren Ergebnisse derzeit ausgewertet würden. Erste Massnahmen seien bereits umgesetzt worden.

Um «eine Lösungsfindung nicht zu beeinträchtigen und den finanziellen Schaden für den Bund möglichst tief zu halten», habe man die Öffentlichkeit bislang nicht informiert, so das WBF. Wegen der Indiskretion, die zum Bericht der «Aargauer Zeitung» führte, hat Schneider-Ammann Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung eingereicht. (lha)

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