Grüne legten dank SP-Abtrünnigen zu – Frauen streikten an der Urne
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Analyse zur Klimawahl 2019:Grüne legten dank SP-Abtrünnigen zu

Analyse zur Klimawahl 2019
Grüne legten dank SP-Abtrünnigen zu – Frauen streikten an der Urne

Trotz Klimawahl 2019: Die Grünen konnten in den eigenen Reihen nur schlecht mobilisieren. Das zeigt eine Studie, die die historischen Wahlen von 2019 unter die Lupe genommen hat. Stattdessen profitierten sie von abgewanderten SP-Wählern und den Jungen.
Publiziert: 03.07.2020 um 10:30 Uhr
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Aktualisiert: 03.07.2020 um 12:36 Uhr
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Der Jubel bei der damaligen Grünen-Präsidentin war gross: Bei den Wahlen 2019 überholten die Grünen zum ersten Mal die CVP und wurden viertstärkste Kraft im Land.
Foto: Keystone
Gianna Blum

Von der grünen Welle war die Rede, von einer historischen Klima- und Frauenwahl: Die Wahlergebnisse 2019 waren geschichtsträchtig und haben die Grünen zum ersten ernsthaften Angriff auf einen Bundesratssitz ermutigt. Und: Zum ersten Mal überhaupt haben die Grünen die CVP überholt und sind zur viertgrössten Kraft im Land aufgestiegen.

Jetzt zeigt eine Studie: Die Grünen verdanken ihren Sieg den SP-Wählern! Rund ein Drittel der Grünen-Wähler hatten vier Jahre zuvor ihre Stimme noch der SP gegeben. Die eigenen Wähler konnten sie dagegen überraschend schlecht mobilisieren: 44 Prozent der grünen Wählerschaft von 2015 ging letztes Jahr überhaupt nicht mehr an die Urne. Das zeigt die Selects-Studie unter der Leitung von Anke Tresch von der Universität Lausanne. Die vom Schweizerischen Nationalfonds geförderte Studie untersucht jeweils das Wahlverhalten bei den nationalen Wahlen.

Die neueste Analyse zeigt nun: Vor allem bei den Jungen konnten die Grünen – wie auch die Grünliberalen – punkten. Im Wesentlichen sei deren Erfolg den unter 35-Jährigen zu verdanken. Die Grünen konnten in dieser Altersgruppe ihre Wählerschaft sogar mehr als verdoppeln. Die Partei profitierte davon, «dass sich ihre Kernthemen Klima und Umwelt während des Wahlkampfs als wichtigstes politisches Problem für die Wählerschaft etablierten». Nur die Senioren waren davon nicht so recht beeindruckt: Bei den über 65-Jährigen schnitten die Öko-Parteien unterdurchschnittlich ab.

Viel Geld, wenig mobilisiert

Für die grünen Erfolge musste die SP bluten. Im Parteienvergleich liefen den Sozialdemokraten am meisten Wählerinnen und Wähler davon. Bei der jüngsten Wählergruppe verlor die SP gleich fünf Prozentpunkte. Schlimmer ist es in dieser Alterskategorie nur noch der SVP ergangen, die ganze zehn Prozentpunkte bei den unter 35-Jährigen einbüsste.

Ohnehin haben die Schweizer Stimmberechtigten wenig Treue an den Tag gelegt: Jeder vierte hat letztes Jahr eine andere Partei gewählt als noch 2015. Und: 36 Prozent haben sich überhaupt nicht mehr an die Urne bequemt. Diese Demobilisierung hat neben den Grünen auch die SVP hart getroffen, bei der fast die Hälfte ihrer Sympathisanten auf das Wahlrecht verzichtet hat. Mobilisierungskönigin ist dagegen die CVP: Von allen Parteien waren deren Anhänger die treuesten, die CVP konnte ihren Wähleranteil denn auch einigermassen halten.

Und der Freisinn? Auch dort sieht es wenig rosig aus: Fast vier von zehn, die ihre Stimme 2015 noch der FDP gaben, wählten 2019 gar nicht mehr. Gleichzeitig hat die FDP laut der Selects-Hochrechnung mit Abstand am meisten für ihre Nationalratskandidaten ausgegeben: 8,5 Millionen Franken liessen die Freisinnigen demnach springen. Auf dem zweiten Platz folgt die SVP mit 4,4 Millionen, dicht gefolgt von der SP mit 4,2 Millionen.

Frauen auf der Strasse, aber nicht an der Urne

Die Klimawahl war auch eine Frauenwahl. Allerdings nur in Bezug auf die Gewählten und nicht auf die Wählenden. Im Jahr des grossen Frauenstreiks sind so viele Frauen wie noch nie in politische Ämter gewählt worden. Aber: Es sind nach wie vor mehr Männer als Frauen wählen gegangen. Dieser «Geschlechtergraben» zeigt sich laut Studie Wahl für Wahl – und er besteht seit der ersten Durchführung 1995. Allerdings nur bei der älteren Wählerschaft, junge Frauen geben ihre Stimme ähnlich häufig ab wie junge Männer.

Die 41 Prozent der Frauen, die wählen gingen, waren dagegen konsequent. Vier von fünf Frauen sagten aus, dass sie bei gleicher Kompetenz eine Kandidatin einem Kandidaten vorziehen würden – bei den Männern nur die Hälfte. Und: Der Frauenrekord ist auch der Frauenförderung der Parteien zu verdanken, die einerseits mehr Kandidatinnen aufgestellt und andererseits auch Frauen finanziell stärker unterstützt haben.

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