Verkehrsmediziner Rolf Seeger zu Senioren-Autofahrern
«Es muss mit Toten gerechnet werden»

Senioren-Autofahrer sollen künftig erst ab 75 zur obligatorischen Fahreignungskontrolle, finden die Hausärzte. Doch Verkehrsmediziner Rolf Seeger kämpft gegen die Erhöhung der Alterslimite.
Publiziert: 19.01.2017 um 23:41 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:13 Uhr
Die Haltung der Hausärzte sorgt für einen Hauskrach unter Medizinern.
Foto: ZVG
Ruedi Studer

Senioren-Autofahrer sollen erst mit 75 statt 70 zum obligatorischen Gesundheitscheck. Die Hausärzte stellen sich hinter die vom Parlament vorgeschlagene Gesetzesänderung. Bis 75 seien die meisten Senioren noch fit, sagt Hausärzteverbands-Präsident Philippe Luchsinger (im BLICK). «Bisher gibt es auch keine wissenschaftliche Untersuchung, welche die Wirksamkeit der tieferen Limite belegt.»

Hauskrach unter Medizinern

Die Haltung der Hausärzte sorgt für einen Hauskrach unter Medizinern. Die Gegner der Vorlage berufen sich auf den Verkehrsmediziner Rolf Seeger vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich. Für die Haltung der Hausärzte hat er kein Verständnis!

Verkehrsmediziner Rolf Seeger: «Es muss mit einigen Toten und einigen Dutzend Schwerverletzten und Verletzten mehr gerechnet werden.»

In der Altersklasse zwischen 70 und 75 Jahren verfügten 250'000 bis 300'000 Personen über einen Führerausweis, sagt Seeger zu BLICK. «In diesem Kollektiv finden sich zahlreiche Personen, die eindeutige verkehrsrelevante und möglicherweise gefährliche Krankheitszustände oder medizinische Einschränkungen aufweisen.»

Ungenügendes Sehvermögen, Hirnleistungsstörungen und beginnende Demenz-erkrankungen seien in dieser Alterskategorie besonders problematisch. «Gerade bei Demenzerkrankten funktioniert die Eigenverantwortung nicht, weil sie uneinsichtig sind.»

Die heutige Regelung leiste einen wichtigen Beitrag zur wirkungsvollen Prävention von Verkehrsunfällen, ist Seeger überzeugt. Er stellt sich deshalb dezidiert gegen die höhere Alterslimite.

Die Auswirkungen der neuen Regelung seien zwar schwer abzuschätzen, für ihn ist aber klar: «Es muss mit einigen Toten und einigen Dutzend Schwerverletzten und Verletzten mehr gerechnet werden.»

Hunderte Risiko-Senioren unterwegs

Gegen die höhere Alterslimite stellt sich auch die Verkehrssicherheits-Stiftung Roadcross Schweiz. «Im Jahr 2015 wurden bei den 70- bis 74-Jährigen insgesamt 836 Führerausweise aus gesundheitlichen Gründen eingezogen», sagt Sprecher Stefan Krähenbühl.

Roadcross-Sprecher Stefan Krähenbühl: «Es besteht eine reale Gefahr, dass bei einer Erhöhung der Alterslimite jährlich Hunderte Senioren auf der Strasse unterwegs sind, die ein erhöhtes Risiko darstellen.»

«Es besteht also eine reale Gefahr, dass bei einer Erhöhung der Alterslimite jährlich Hunderte Senioren auf der Strasse unterwegs sind, die ein erhöhtes Risiko darstellen. Der frühere Check bringt schlicht mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer.»

Die Beratungsstelle für Unfallverhütung wiederum bedauert, dass das heutige System nicht zuerst evaluiert und Verbesserungsvorschläge erarbeitet wurden. Sie führt aber aus, dass «in ausländischen Studien Zweifel am Nutzen von obligatorischen medizinischen Abklärungen für die Verkehrssicherheit geäussert werden».

Ihr vorläufiges Fazit: In der Frage um die Erhöhung der Alterslimite ist sie «weder dafür noch dagegen».

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