Darum gehts
- Nationalrat berät über Gotthard-Maut, Bundesrat lehnt ab
- Dynamische Preise sollen Staus reduzieren, Einheimische erhalten Rabatte
- Brenner-Maut in Österreich kostet 12 Euro pro Fahrt und Auto
Es gehört zu Ostern und Pfingsten wie der Brunch zum Sonntag: Am Gotthard stauen sich an diesen Festtagen jeweils die Autos. Schon seit Jahren ärgern sich nicht nur die Autofahrer, sondern auch die Kantone entlang der Verkehrsachse – vor allem über den Ausweichverkehr, der ihre Strassen verstopft. Ebenfalls seit Jahren versucht die Politik, Lösungen zu finden.
Am Dienstagnachmittag will der Nationalrat mehrere Vorstösse zum Thema beraten. Dabei könnte es auch den Autofahrern ans Portemonnaie gehen: Der Urner Nationalrat Simon Stadler (37) fordert eine dynamische Maut für alle, die durch den Gotthard fahren wollen. «Die Zustände im Kanton Uri sind nicht mehr tragbar», sagt er gegenüber Blick. «Die Ungeduldigen, die dem Stau entfliehen wollen, verstopfen die Strassen in den Dörfern, sodass teilweise nicht mal mehr Ambulanz und Feuerwehr durchkommen.»
Österreich kennt Brenner-Maut
Wie hoch die Gebühr sein soll, lässt Stadler offen – das sollen weitere Abklärungen zeigen. Für die Nutzung der Brenner-Autobahn in Österreich zahlt man 12 Euro pro Fahrt und Auto. Stadler stellt sich ein dynamisches Preissystem vor: Fahren weniger Leute durch den Tunnel, muss man weniger bezahlen. An Ostern oder Pfingsten dürfte es dementsprechend teurer werden. «Für Einheimische soll es Rabatte oder Mehrfahrtenkarte geben.» Die Maut-Idee sei angelehnt an das Konzept der Tageskarten in den Skigebieten, sagt Stadler. Diese kennen ebenfalls dynamische Preise.
Die Verkehrspolitik zum Thema Gotthard beschäftigt den gelernten Maurer und heutigen Primarlehrer Stadler schon lange. Es liegt in der Familie: Sein Vater ist der ehemalige Urner Landammann und Alt-Ständerat Hansruedi Stadler (71). Gemeinsam haben sie sich schon gegen eine zweite Röhre gewehrt.
«Konzept ist so nicht umsetzbar»
SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner (43) kritisiert die Gotthard-Maut. «Dieses Konzept ist so nicht umsetzbar.» Er verweist auf Gerichtsurteile aus Deutschland, die ähnliche Projekte als diskriminierend klassierten. «Das ist ein hilfloser Versuch, das Stauproblem zu entschärfen, doch es wird scheitern», sagt Giezendanner. «Sinnvoller wäre es, den Tunnel oder den Pass zu öffnen, denn der Verkehr wird weiter zunehmen. Eine Maut wird niemanden abhalten.»
Auch Giezendanner kennt die Verkehrspolitik bereits aus der Familie. Sein Vater Ulrich Giezendanner (71) sass ebenfalls im Parlament. Und auch der Transportunternehmer kümmerte sich um die Verkehrspolitik.
Bundesrat lehnt Vorstoss ab
Der Bundesrat will nichts von einer Gotthard-Maut wissen – vor allem aus Sorge um den nationalen Zusammenhalt. Das macht er in einem Bericht deutlich, den er kürzlich veröffentlicht hat: Eine Gebühr würde zwar nützen, doch die Landesregierung findet es problematisch, wenn das Tessin als einziger Landesteil über keine frei verfügbare, ganzjährige und wintersichere Strassenverbindung zum Rest der Schweiz verfügen würde. Stattdessen hat der Bundesrat andere Massnahmen geprüft, zum Beispiel Tröpfchenzähler bei den Ausfahrten, gesperrte Aus- oder Einfahrten und eine Anpassung des Tropfensystems.
Stadler sieht die Vorschläge des Bundesrates als Ergänzung zum Verkehrsmanagement. «Doch es sind keine konkreten Vorschläge, darum braucht es die dynamische Maut.» Diskriminierend sei seine Lösung nicht. «Durch die Rabattaktionen werden die Bewohner der Kantone Uri und Tessin und das lokale Gewerbe nicht benachteiligt – anders, als es jetzt der Fall ist durch die ständige Überlastung in den Urner Dörfern.»
Für SVP-Nationalrat Giezendanner sind die Vorschläge des Bundesrates nicht umsetzbar. «Man stelle sich vor, der Kanton Aargau würde ähnliche Massnahmen ergreifen und plötzlich Ausfahrten sperren! Das ist unmöglich umzusetzen.»
Am Dienstag soll nun der Nationalrat entscheiden. Kommt es zu Verzögerungen, könnte das Geschäft zwar verschoben werden. Hingegen wird noch über mehrere andere Vorstösse mit Lösungsvorschlägen für den Gotthard-Stau entschieden: So fordert der Kanton Uri, dass etwa ein Slot-System geprüft werden soll. Die Verkehrspolitiker des Nationalrates wollen derweil eine gesetzliche Grundlage, damit Navis Strassensperren abbilden müssen. Der Bundesrat lehnt das ab. Welche Vorstösse tatsächlich eine Mehrheit finden, ist offen.