«Unvollständige Information»
Mieterverband kritisiert Abstimmungsbüchlein

Im Abstimmungsbüchlein zur Mieter-Initiative fehlt die offizielle Mietpreisstatistik des Bundes. Die Initianten verlangen deshalb eine Anpassung.
Publiziert: 08.12.2019 um 13:39 Uhr
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Aktualisiert: 27.01.2020 um 12:03 Uhr
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Gegenüber SonntagsBlick sagt Natalie Imboden, Generalsekretärin des Mieterverbands: «Das Stimmvolk wird im Abstimmungsbüchlein irreführend – oder zumindest unvollständig – informiert!»
Foto: Sandra Dietrich
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

In zwei Monaten stimmt die Schweiz über die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» ab. Die Initianten verlangen von Bund und Kantonen, preisgünstige Mietobjekte verstärkt zu fördern.

Bundesrat und Parlamentsmehrheit sind gegen die Vorlage. «Es gibt genügend gute, bezahlbare Wohnungen», argumentierte Volkswirtschaftsminister Guy Parmelin vergangene Woche. Und im Abstimmungsbüchlein, das online bereits verfügbar ist, schreiben die Gegner: «Die bisherige Wohnraumförderung hat sich bewährt.»

Diese Darstellung aber stösst auf Widerstand. Natalie Imboden, Generalsekretärin des Mieterinnen- und Mieterverbands Schweiz, zu SonntagsBlick: «Das Stimmvolk wird im Abstimmungsbüchlein irreführend oder zumindest unvollständig informiert!»

Streit um Interpretation

Denn eigentlich sollte die Schilderung der Ausgangslage neutral sein, doch wörtlich heisst es dort: «Vor allem in städtischen Gebieten ist das Angebot an Wohnraum bis 2015 knapp geworden. Bis 2016 sind auch die Mieten gestiegen. Verknappung und Verteuerung waren eine Folge der guten Wirtschaftslage und des starken Bevölkerungswachstums.»

Imboden kritisiert diese Formulierung scharf: «Damit wird suggeriert, dass die Mieten in städtischen Gebieten ab 2016 nicht mehr gestiegen sind. Das ist nachweislich falsch, da sie gesamtschweizerisch steigen.»

Die Bundeskanzlei, Herausgeberin des Büchleins, wehrt sich gegen diesen Vorwurf. «Das ist eine unzulässige Interpretation des Textes», so Sprecher Beat Furrer. Die drei Sätze würden sich «selbstverständlich auf das ganze Land» beziehen.

Kein Wort zur Mietpreisstatistik

Zahlen für das ganze Land – das Bundesamt für Statistik erfasst sie. Publiziert werden die Daten Monat für Monat im sogenannten Mietpreisindex. Laut dem sind die Wohnungsmieten in der Schweiz zwischen Januar 2016 und November 2019 insgesamt um 3,5 Prozent gestiegen. Im Abstimmungsbüchlein aber sucht man die offizielle Mietpreisstatistik des Bundes vergeblich. Sie wird mit keinem Wort erwähnt.

Stattdessen verweist man auf Erhebungen von privaten Immobilienfirmen wie Wüest & Partner, Immoscout, IAZI oder Homegate. Das Fazit: «Seit 2016 sind die durchschnittlichen Preise für neu oder wieder vermietete Wohnungen rückläufig – auch für Wohnungen im unteren Preissegment ist der Markt wieder nahezu ausgeglichen.»

Entsprechende Zahlen würden nur von privater Seite erhoben

Wie kommt es, dass der Bund die Zahlen der eigenen Statistiker verschweigt? Beat Furrer von der Bundeskanzlei: «Bei der Initiative geht es um Wohnungen, die neu gebaut oder renoviert werden. Da­rum stützt sich das Büchlein primär auf die durchschnittlichen Mietpreise für neue oder wieder vermietete Wohnungen.» Solche Zahlen würden in der Schweiz nur von privater Seite erhoben. In den Fussnoten verweise das Büchlein aber auf die Seiten des Bundesamts für Statistik und des Bundesamts für Wohnungswesen, wo weitere Zahlen zu finden seien.

Der Mieterinnen- und Mieterverband will sich damit nicht abfinden. «Das Abstimmungsbüchlein muss angepasst werden!», fordert Generalsekretärin Imboden. Der Verband hat deshalb dem Bundesrat sowie den Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat einen Brief mit der entsprechenden Forderung zukommen lassen.

Die wichtigsten Fragen zur Miet-Initiative

Am 9. Februar 2020 stimmen wir über die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» ab. Gemäss Umfrage kommt sie im Volk gut an. Doch was will der Mieterverband genau? BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen.

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Alle Abstimmungen auf einen Blick

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

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