Unternehmen
Nationalrat debattiert über Konzernverantwortungsinitiative

Der Nationalrat befasst sich heute Donnerstag mit der Konzernverantwortungsinitiative. Er diskutiert darüber, ob Unternehmen mit Sitz in der Schweiz für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden von Tochtergesellschaften im Ausland haften sollen.
Publiziert: 13.06.2019 um 05:02 Uhr
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Aktualisiert: 13.06.2019 um 12:16 Uhr
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Der Rat dürfte die Initiative ablehnen. Zur Debatte steht aber auch ein indirekter Gegenvorschlag. Hier ist ein knappes Resultat zu erwarten. SP und Grüne unterstützen die Initiative und den indirekten Gegenvorschlag. CVP, GLP und BDP stellen sich gegen die Initiative, unterstützen aber den indirekten Gegenvorschlag. Die SVP und die FDP lehnen beides ab.

An Beispielen mangelt es in der Debatte nicht. Geschildert werden Fälle von Kinderarbeit, vergifteten Landarbeitern, abgeholztem Regenwald. Wenn Chiquita bei der Bananenernte in Ecuador Menschenrechte verletze oder Glencore in Kolumbien einen Fluss mit Industrieabwasser verschmutze, dann gelte es zu handeln, sagte Matthias Aebischer (SP/BE). Die SP stehe hinter dem Gegenvorschlag, wenn dieser nicht verwässert werde. Sie sage aber auch zur Initiative Ja.

Sibel Arslan (Grüne/BS) stellte fest, es vergehe kein Tag ohne Schlagzeilen über Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzungen. Die Initiative fordere das, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: Die Unternehmen müssten vorbeugen. Täten sie das nicht, müssten sie den Schaden tragen. «Wer verantwortungsvoll wirtschaftet, hat nichts zu befürchten», sagte Arslan.

Der CVP, der GLP und der BDP geht die Initiative zu weit. Sie unterstützen aber grundsätzlich einen indirekten Gegenvorschlag. Der CVP sei die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards wichtig, sagte Andrea Gmür (CVP/LU). Auch das grosse freiwillige Engagement der Wirtschaft müsse aber anerkannt werden. Mit einem indirekten Gegenvorschlag liesse sich ein emotionaler Abstimmungskampf verhindern.

Die CVP werde diesen am Ende allerdings nur unterstützen, wenn er wirtschaftsfreundlich ausgestaltet werde und wenn die Initiative zurückgezogen werde, kündigte Gmür an. Eine Sorgfaltsprüfung der gesamten Lieferkette sei nicht umsetzbar. Auch die haftungsrechtlichen Regelungen gingen zu weit. Ähnlich äusserte sich Bernhard Guhl (BDP/AG). Er wies darauf hin, dass sich auch namhafte Unternehmen für einen indirekten Gegenvorschlag einsetzten.

GLP-Sprecher Beat Flach (AG) warnte davor, die Initiative «nackt» ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung zu bringen. Das berge Risiken, die Initiative geniesse Unterstützung. Die Schweiz sei eines der Länder, das von der Globalisierung am meisten profitiert habe. Das habe auch zu Ausbeutung geführt. Die Initiative gehe aber «schon sehr weit".

Als Alternative schlägt die GLP einen direkten Gegenvorschlag vor. Damit würde das in die Verfassung geschrieben, was die Unternehmen nach eigenen Angaben ohnehin schon täten, sagte Flach. Gemäss dem direkten Gegenvorschlag sollen sich Unternehmen branchenspezifische Standars geben. Der Bund müsste dann Vorschriften erlassen, wenn keine ausreichende Selbstregulierung zustande kommt.

Gegen die Initiative und einen direkten oder indirekten Gegenvorschlag stellten sich die FDP und die SVP. Bei der ersten Beratung vor einem Jahr hatte die Mehrheit der FDP-Fraktion dem indirekten Gegenvorschlag noch zugestimmt. Nun ist die Mehrheit dagegen, wie Sprecher Giovanni Merlini (FDP/TI) sagte. Zwar gebe es hie und da schwarze Schafe, räumte er ein. Die meisten Unternehmen handelten aber verantwortungsvoll.

Es gehe um globale Herausforderungen, die ein koordiniertes Vorgehen erforderten. Ein Alleingang der Schweiz sei zu vermeiden. Dass die Schweizer Rechtsordnung massgebend sein solle für Vorgänge in entfernten Ländern, mute neokolonialistisch an. Für einen Gegenvorschlag machte sich die Zürcher FDP-Nationalrätin Doris Fiala stark. Ein solcher sei im Interesse der Wirtschaft, argumentierte sie.

Barbara Steinemann (SVP/ZH) dagegen kritisierte, beim indirekten Gegenvorschlag handle es sich bereits um eine Umsetzung der Initiative, nicht um ein Gegenkonzept. Die geplanten Regeln stellten die Schweiz als Konzernstandort in Frage. Sie gefährdeten die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen. Diese könnten ihre Geschäftstätigkeit ins Ausland verlagern. Arbeitsplätze und Steuersubstrat drohten zu verschwinden.

Der Nationalrat hatte vor einem Jahr beschlossen, die Anliegen der Initiative aufzunehmen und auf Gesetzesebene Regeln zu erlassen. Mit 121 zu 73 Stimmen bei 2 Enthaltungen hiess er damals den indirekten Gegenvorschlag gut. Die Initianten stellten in Aussicht, ihr Begehren zurückzuziehen, wenn das Parlament dem Projekt in dieser Form zustimme.

Der Ständerat beschloss aber mit 22 zu 20 Stimmen, nicht darauf einzutreten. Im Nationalrat dürfte es nun knapp werden. Beschliesst der Rat nach der Debatte, nicht auf den Gegenvorschlag einzutreten, ist dieser vom Tisch. Das Thema stösst auf Interesse: Auf der Rednerliste haben sich 45 Ratsmitglieder eingetragen.

(SDA)

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