Trotz neuer Tierquäldeklaration
Auch in der Schweiz werden Zähne abgeschliffen und Schnäbel gestutzt

Die Schweiz führt eine Deklarationspflicht für Tierprodukte aus schmerzhafter Produktion ein. Tierschützer und Kleinbauern kritisieren die Massnahme als ungenügend. Sie fordern stattdessen Importverbote und Tierschutzreformen.
Publiziert: 12:19 Uhr
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Aktualisiert: 14:47 Uhr
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Seit Juli gilt in der Schweiz eine Deklarationspflicht für ausländische Tierquälprodukte – so etwa die Stopfleber.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Die Schweiz führt eine Deklarationspflicht für bestimmte Tierprodukte ein
  • Tierschützer kritisieren die Massnahme als Alibiübung
  • Kleinbauern fordern Importverbote – auch für Gemüse
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

In der Schweiz ist es verboten, Gänse und Enten krampfhaft zu mästen. Trotzdem darf hierzulande Stopfleber verkauft werden – aus dem Ausland. Verbieten will das der Bundesrat nicht. Er hat aber zumindest ab diesem Monat eine Deklarationspflicht eingeführt: Fleisch, Eier und Milch müssen neu gekennzeichnet werden, wenn sie von Tieren stammen, bei denen bestimmte schmerzhafte Eingriffe ohne Betäubung vorgenommen wurden.

Das soll laut dem Bund mehr Transparenz liefern. Tierschützerinnen und Tierschützer sind über die Lösung der Landesregierung aber gar nicht erfreut. «Es ist eine reine Alibiübung», sagt Tobias Sennhauser (40) vom Verein Tier im Fokus. Denn auch das Schweizer Tierrecht erlaubt weiterhin fragwürdige Eingriffe an Nutztieren. Deklariert werden müssen diese nicht.

Auch in der Schweiz glänzt nicht alles

Gleich zahlreiche Methoden sind Tierschützerinnen und Tierschützern ein Dorn im Auge:

  • Bei Schweizer Schweinen dürfen weiterhin die Zähne abgeschliffen werden – und zwar ohne Betäubung.
  • Bei Hühnern erlaubt die Schweizer Gesetzgebung das sogenannte Touchieren. Dabei wird die Spitze des Schnabels gestutzt, um zu verhindern, dass die Tiere einander verletzen.
  • Einige Eingriffe geschehen zwar unter Schmerzausschaltung, können aber nachträglich zu Schmerzen führen – so beispielsweise die Kastration von Ferkeln oder die Enthornung von Kühen.

«Solche Eingriffe sind den Schweizerinnen und Schweizern immer noch viel zu wenig bewusst», so Sennhauser. «Auch das Schweizer Tierschutzgesetz ist verbesserungswürdig, es steht seit 2008 still.» Derweil würde das Ausland nach und nach aufholen.

Reaktion auf Stopfleber-Initiative

Mit der Deklarationspflicht will der Bundesrat besonders der Stopfleber-Initiative den Wind aus den Segeln nehmen. Sie will Erzeugnisse aus Stopfmast in der Schweiz gleich ganz verbieten. Für die Landesregierung ist dies keine Option, sie lehnt das von zahlreichen Tierschutzverbänden getragene Volksbegehren klar ab.

Sennhausers Verein kritisiert den Entscheid des Bundes. «Besonders in der Deutschschweiz spielen die neu deklarierten Produkte kaum eine Rolle», sagt der Tierschützer. Stattdessen würde mit der neuen Verordnung den Konsumentinnen und Konsumenten vorgetäuscht, dass sie bei Schweizer Tierprodukten bedenkenlos zugreifen können.

Sowieso ist Sennhauser grundsätzlich kritisch, wenn es um Deklarationspflichten geht. «Bei Echtpelz sieht man zum Beispiel, dass solche Massnahmen schlecht funktionieren», sagt er. Dasselbe erwartet er nun bei Stopfleber, Froschschenkel und Co. – denn die Kontrolle läuft nach Lebensmittelrecht nur «stichprobenhaft».

Kleinbauern fordern zahlreiche Importverbote

Auch andere Verbände sind nicht nur erfreut über das neue Regime. Die Stiftung für Konsumentenschutz kritisiert etwa, dass der Bund den Herstellern und Betrieben eine äusserst grosszügige Übergangsfrist von zwei Jahren gewährt.

Die Kleinbauern-Vereinigung begrüsst die Weisungen zwar grundsätzlich. Dass der Bundesrat aber Erzeugnisse von Schafen und Ziegen nicht miteinbezogen hatte, entbehre jeglicher Logik, schreibt sie in einer Mitteilung.

Genauso wie Tierschützerinnen und Tierschützer machen sich die Kleinbauern für ein Importverbot stark. Es sei einfacher umzusetzen und konsequenter, so der Verein. Und das solle nicht nur bei tierischen Produkten geschehen. Der Bund solle auch gleich bei Gemüse, bei dem in der Schweiz verbotenes Pflanzenmittel eingesetzt wurde, den Riegel schieben.

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