Totgeburt nach zwölf Stunden in Obhut des Grenzwachtkorps
Die Schande von Brig geht weiter

Suha Jneid erlitt auf der Flucht vor zwei Jahren in der Schweiz eine Totgeburt. Bis heute wartet sie darauf, dass die Tragödie aufgeklärt wird. Doch die Berner Gerichtsmedizin schläft.
Publiziert: 28.07.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 20:05 Uhr
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Als Jneid am Abend des 5. Juli in Domodossola (I) ankommt, bricht sie auf dem Perron zusammen.
Foto: Azzurratv (Screenshot)
Sermîn Faki

Ihr Name wäre Sara gewesen. Doch das kleine Mädchen schaffte es gar nicht auf die Welt. Als ihre Mutter nach wochenlanger Flucht vor dem Krieg in Syrien in der vermeintlich sicheren Schweiz ankommt – die Familie wollte eigentlich nach Deutschland –, gibt es Komplikationen. Nach zwölf Stunden in der Obhut des schweizerischen Grenzwachtkorps (GWK) ist Sara, der sieben Monate alte Fötus, tot.

Die tragische «Totgeburt von Domodossola» machte vor zwei Jahren Schlagzeilen (siehe Box). Im September 2014 leitete die Militärjustiz eine Voruntersuchung gegen einen der an der Rückführung beteiligten Grenzwächter ein. Sie ist immer noch nicht abgeschlossen.

«Das Warten macht sie fertig»

Der Schweizer Anwältin der Familie Jneid wird es nun zu bunt. «Das Warten macht meine Mandanten fertig», sagt Dina Raewel. Doch warum dauert es so lange, bis Suha Jneid Gerechtigkeit widerfährt? Schuld an der Verschleppung ist das Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern. Am 20. August 2015 hat der Untersuchungsrichter dort ein Gutachten in Auftrag gegeben. Es sollte klären, wann genau der Tod eingetreten ist.

Obwohl die Frist bereits am 31. März abgelaufen ist, liegt das Gutachten bis heute nicht vor, wie die Militärjustiz auf Anfrage bestätigt. Gutachten bräuchten Zeit, so ein Sprecher. Aber elf Monate? Ein Unding, findet Raewel. «In bürgerlichen Strafverfahren dauert das allerhöchstens sieben Monate», sagt sie. Das Institut für Rechtsmedizin wollte keine Stellung nehmen und schob den Ball zurück zur Militärjustiz.

Elf Monate für reines Aktenstudium

Die Dauer ist auch darum so unverständlich, weil die Gerichtsmedizin und der mit dem Gutachten betraute Chefgynäkologe des Inselspitals keine Untersuchungen mehr vornehmen müssen. Ihr Urteil müssen sie aufgrund des Autopsieberichts der italienischen Behörden und der Stellungnahmen der Beteiligten fällen – reines Aktenstudium.

Was daran elf Monate dauern soll, ist unverständlich. Das findet auch Amnesty International. «Das ist ein Skandal», so Asylrechtsexpertin Denise Graf. Jneid habe ihr Baby vor zwei Jahren verloren. «Sie und ihr Mann haben das Recht auf eine unverzügliche, unabhängige und gründliche Untersuchung.»

Das passierte Suha Jneid

Die 22-jährige Schwangere Suha Jneid war am 4. Juli 2014 gemeinsam mit ihrer Familie unterwegs von Mailand nach Paris, als sie von der französischen Grenzpolizei aufgegriffen und zur Rückführung nach Italien dem Schweizer Grenzwachtkorps übergeben wurde. Während der mehr als 14 Stunden dauernden Rückführung, bei der die Familie unter anderem im Bahnhof Brig in einer Zelle eingeschlossen war, klagte Jneid über Bauchschmerzen, Blutungen und den Verlust von Fruchtwasser. Trotz mehrmaliger Bitte um medizinische Hilfe habe das Grenzwachtkorps nicht reagiert, so der Vorwurf der Familie. Als Jneid am Abend des 5. Juli in Domodossola (I) ankommt, bricht sie auf dem Perron zusammen. Die italienischen Grenzwächter verständigen die Ambulanz. Im Spital kann nur noch der Tod des Fötus festgestellt werden.

Die 22-jährige Schwangere Suha Jneid war am 4. Juli 2014 gemeinsam mit ihrer Familie unterwegs von Mailand nach Paris, als sie von der französischen Grenzpolizei aufgegriffen und zur Rückführung nach Italien dem Schweizer Grenzwachtkorps übergeben wurde. Während der mehr als 14 Stunden dauernden Rückführung, bei der die Familie unter anderem im Bahnhof Brig in einer Zelle eingeschlossen war, klagte Jneid über Bauchschmerzen, Blutungen und den Verlust von Fruchtwasser. Trotz mehrmaliger Bitte um medizinische Hilfe habe das Grenzwachtkorps nicht reagiert, so der Vorwurf der Familie. Als Jneid am Abend des 5. Juli in Domodossola (I) ankommt, bricht sie auf dem Perron zusammen. Die italienischen Grenzwächter verständigen die Ambulanz. Im Spital kann nur noch der Tod des Fötus festgestellt werden.

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