Tauben-Plage?
Wie man in grossen Städten um Vögel streitet

Helfen Taubenschläge im Kampf gegen die «Ratten der Lüfte»? Oder tötet man die Tiere besser? Das Thema bewegt in den Grossstädten. In Basel gibt es jetzt sogar eine Volksabstimmung.
Publiziert: 00:03 Uhr
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Tauben sind in vielen Städten ein Problem.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Basler Initiative plant Taubenschläge
  • Taubenprobleme in mehreren Schweizer Städten, verschiedene Lösungsansätze werden diskutiert
  • In Zürich wurden in den letzten fünf Jahren durchschnittlich 1300 Tauben jährlich erlegt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Tobias BruggmannRedaktor Politik

Als Renée Winkler Unterschriften sammelte, kamen ihrem Gegenüber plötzlich die Tränen. Schuld ist ein kleiner Vogel: die Taube. «Die Person war völlig überfordert, weil sie auf dem Balkon ständig Kot putzen musste. Sie steht stellvertretend für viele, die von ihrem täglichen Ärger berichten», erzählt Winkler. Sie hat in Basel die Tauben-Initiative lanciert – und will so ein Problem lösen, das viele Städte in der Schweiz kennen: zu viele der Vögel in der Stadt.

Ein Problem für die Ästhetik – und die Tauben selbst, die um ihr Futter kämpfen müssen. «Das schwächt sie und führt zu Verdauungsproblemen, die am Ende auf Balkonen oder Fassaden landen», sagt Winkler. Sie will, dass die Stadt Basel betreute Taubenschläge bekommt. Dort sollen die Tiere gefüttert werden und nisten dürfen, damit ihre Eier durch Attrappen ersetzt werden. «Mit unserem Konzept kann die Zahl der Tauben auf 3000 bis 4000 Tiere reduziert werden – ganz ohne sie zu töten. Das Beispiel Bern zeigt, dass dieses Modell seit Jahren erfolgreich angewandt wird.»

«Das Stadtbild verliert an Schönheit»

Winkler geht es nicht nur um das Tierwohl – sondern auch um die Ästhetik. «Auf vielen Balkonen und Fassaden in Basel sind Netze und Spikes als Schutz vor den Tauben angebracht. Diese halten die Tauben fern, doch das Stadtbild verliert dadurch an Schönheit und seinen vertrauten Charme.»

Doch die Basler Regierung will nicht so weit gehen. Mit einem Gegenvorschlag will sie aber drei Taubenschläge eröffnen. Eine Fütterung ist allerdings nicht vorgesehen. Stattdessen soll das Fütterungsverbot für Privatpersonen, das schon heute gilt, strikter durchgesetzt werden. Abschüsse bleiben möglich.

Winkler ist unzufrieden. «Dieser Gegenvorschlag reicht nicht aus. Es fehlt das zentrale Element - wenn Tauben nicht gefüttert werden, haben sie auch keinen Anreiz, zum Taubenschlag zu fliegen. Zudem reichen drei Taubenschläge nicht aus.» Sie betont dabei: «Mir geht es nicht darum, ein romantisches Plädoyer für Tauben zu halten, sondern darum, die wachsende Taubenpopulation in der Stadt mit betreuten Taubenschlägen nachhaltig und verantwortungsvoll in den Griff zu bekommen.»

Hohe Kosten

Einer der Gründe, warum die Regierung die Initiative ablehnt, sind die Kosten. Diese schätzt sie bei der Initiative auf eineinhalb bis zwei Millionen Franken pro Jahr. Für Winkler sind diese Zahlen unverständlich. «Man muss die Taubenschläge ja nicht von Herzog & de Meuron bauen lassen. Unser Initiative würde nicht mehr als 100'000 Franken kosten.»

Sie selbst wäre bereit, bei der Umsetzung mitzuhelfen: zum Beispiel als Freiwillige bei der Fütterung, der Reinigung der Taubenschläge und dem Austausch der Eier. Für Winkler ist klar: «Es geht hier nicht um blosse Tierliebe, sondern um Verantwortung, um eine entschlossene Stadtpolitik und um den Erhalt unserer urbanen Lebensqualität – für uns alle.»

Zürich schiesst ...

Doch nicht nur in Basel gibt es Probleme: In Luzern spricht das Onlineportal Nau von einer «Tauben-Plage im Bahnhof», in der Stadt St. Gallen laufen politische Vorstösse, wie das «St. Galler Tagblatt»» berichtete.

In der Stadt Zürich gilt seit Januar 2023 derweil ein Fütterungsverbot für Tauben. Doch gebracht hat es das Gegenteil. «Seit Inkrafttreten des Fütterungsverbots wird erheblich mehr gefüttert als zuvor», heisst es in der Antwort auf einen Vorstoss. Die Taubenschwärme seien deshalb gewachsen. Wer sich nicht an das Verbot hält, muss mit Bussen von 200 Franken rechnen. Abzuschrecken scheinen diese aber nicht. Organisierte Taubenfütterer streuen trotz Verbot weiter, die Bussen werden untereinander geteilt, berichtet SRF.

Im Jahr 2024 erfolgten in Zürich gerade mal sechs Bussen, ein Jahr zuvor waren es sieben.

Im schlimmsten Fall droht in Zürich der Abschuss. In den vergangenen fünf Jahren wurden im Schnitt rund 1300 Tauben jährlich erlegt – an «kritischen Orten», namentlich, wenn es an bestimmten Plätzen zu dreckig ist. «Die Stadt Zürich strebt einen kleinen, gesunden Taubenbestand an, da grosse Schwärme zu Problemen führen können. Dabei richtet sich die Stadt nach den geltenden gesetzlichen Vorschriften.» Gleichzeitig läuft ein Monitoring – aus den Erkenntnissen könnten neue Massnahmen diskutiert werden. 

... Bern sterilisiert

In der Stadt Bern hingegen werden die Tauben in acht Taubenschlägen betreut, wo artgemässes Futter, Nistplätze und medizinische Versorgung gesichert sind. Damit es nicht zu viele Tiere gibt, werden die männlichen Tauben mit einem kleinen Eingriff sterilisiert: «Sie bleiben hormonell aktiv, können aber keine Nachkommen zeugen», erklärt Doris Slezak, Mediensprecherin des Tierparks Bern. Die Stadt hat die Verantwortung für die Taubenkontrolle dem Tierpark übertragen.

«Die Kosten belaufen sich aktuell auf über 200'000 Franken im Jahr», sagt Slezak. Der Fokus liegt jedoch auf der Altstadt. Die gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. Würden weitere Quartiere dazukommen, wäre es entsprechend teurer. Der Tierpark ist zufrieden mit dem Modell. «Es beruht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, ist ethisch vertretbar und tierschutzkonform», sagt Slezak. «Die jährlichen Taubenzählungen zeigen einen konstanten Bestand in der Altstadt. Die Belastung hat sich dort spürbar verringert. Da die Tiere artgerechtes Futter bekommen, ist der öffentliche Raum deutlich sauberer, und die Vögel sind gesünder.»

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